Süddeutsche Zeitung

"Diego Maradona" im Kino:Mythos Nummer 10

Wie wird man einem Mann gerecht, der als "kosmischer Drache" verehrt wird? Asif Kapadia hat es mit seinem Dokumentarfilm über Diego Maradona versucht. Das Ergebnis ist La-ola-würdig.

Von Bernhard Blöchl

Wie erzählt man eine Geschichte, die Höhen und Tiefen für drei Filme in sich birgt? Wie wird man einem Mann gerecht, der als "kosmischer Drache" verehrt wird, der später im TV von der Psychiatrie berichtet und schluchzt: "Ich gehe k. o."? Wie geht man mit 500 Stunden Filmmaterial aus Privatarchiven um, das einen der größten Fußballer der Welt als Kind, Sportler und Partybiest zeigt? Und schließlich: Wie kommt man an das Okay des Stars, der noch mit Ende 50, nun rund wie ein Medizinball, in der Weltöffentlichkeit herumexaltiert?

Womöglich war der Dokumentarfilm "Diego Maradona" komplizierter als der 3:2-Sieg Argentiniens im WM-Finale 1986 gegen Deutschland. Das Ergebnis ist La-ola-würdig. Schon deshalb, weil der Film nicht urteilt, aber neben den Triumphen wie dem einzigen Uefa-Pokal-Gewinn des SSC Neapel auch die Schattenseiten des Argentiniers beleuchtet: das Kokain, den unehelichen Sohn, die Massenschlägerei vor den Augen des spanischen Königs, die Camorra-Verwicklungen, den Hass der italienischen Fans, die Doping-Sperre.

Er beginnt und verweilt lange dort, wo Diego Armando Maradona die aufregendste Zeit seines Lebens verbrachte, im Neapel der Achtzigerjahre. Als teuerster Spieler der Welt kam er aus Barcelona, früh fällt der Satz: "Ich bat um einen Ferrari und bekam einen Fiat." Presserummel, wilde Autofahrten, immer wieder Spielszenen. Dann zurück in die Heimat, nach Villa Fiorito bei Buenos Aires. Schwarz-Weiß-Aufnahmen des Elends, aus dem sich das "Mamakind" früh herauskickte. Der zweistündige Film widmet sich dem Aufstieg, hin zur WM 1986, den Drogen, dem Entzug. Am Ende steht die Aussöhnung mit seinem zunächst verleugneten Sohn Diego Armando jr. Im Unterschied zu den Töchtern mit seiner Freundin Claudia Villafane ging dieser aus einer Affäre hervor.

Der britische Regisseur Asif Kapadia erweist sich erneut als Meister der Verdichtung. Was mit der Doku über den Formel-1-Fahrer Ayrton Senna begann ("Senna", 2010), mit "Amy" über die Sängerin Winehouse 2016 zum Oscar führte, fügt sich nun zur Promi-Trilogie. "Diego Maradona" beruht auf unveröffentlichtem Archivmaterial, das der Produzent Paul Martin vor einigen Jahren erworben hat. Zwei Kameraleute hatten den Fußballer in den Achtzigern begleitet. Daraus sowie weiterem Material komponieren Kapadia und sein Cutter Chris King eine mitreißende Bilderreise, die dem Mythos der Nummer 10 gerecht wird: "Ein bisschen tricksen und überragend spielen", wie ein Reporter analysiert. Der gefallene Held gab seinen Segen und in Interviews auch Antworten, die als Kommentare über den Originalbildern liegen. "Ich habe Claudia geliebt", sagt er einmal, "aber ich war kein Heiliger." Ein Halbgott eben.

Diego Maradona, GB 2019 - Regie und Buch: Asif Kapadia. DCM, 130 Minuten.

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Quelle:
SZ vom 05.09.2019
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