Einer der Schlüsselmomente dieses Filmjahres fand weder im Kino noch vor erwartungsvollen Journalisten statt, sondern auf einer Aktionärsversammlung - und das sagt im Grunde schon alles. Dort enthüllte Kevin Tsujihara, Chef von Warner Brothers, Mitte Oktober das geplante Programm seines Studios bis zum Jahr 2020.
Mindestens drei neue Spin-offs aus dem "Harry Potter"-Universum werde es geben, erklärte er, drei neue "Lego"-Filme, natürlich in Kooperation mit dem Spielzeughersteller, zwei weitere Verfilmungen aus der "Justice League" von DC Comics - und außerdem, terminlich noch nicht ganz spruchreif, weitere "Batman" und "Superman"-Sequels.
Nur wenige Tage später erläuterten die Marvel Studios ihre Pläne bis 2019. Die Zahl ihrer jährlichen, millionenteuren Comic-Verfilmungen werde von zwei auf drei erhöht, kündigte Studiochef Kevin Feige an. Das bedeutet weitere Fortsetzungen von "Captain America", "Thor" und "The Avengers", plus eine Reihe von neuen Franchises aus der Marvel-Comic-Welt, etwa "Black Panther".
Nimmt man noch Disney dazu, das mindestens bis 2019 mit seiner neuen "Star Wars"-Trilogie beschäftigt ist, und Fox, wo James Cameron gerade an seinen drei "Avatar"-Fortsetzungen (geplanter Start 2016 bis 2018) arbeitet, erscheint Hollywoods traditionelles Glücksversprechen - das große, spektakuläre und teuer produzierte Kinoerlebnis - so gnadenlos durchgeplant, in Businessmodelle eingespeist und vorausberechnet wie noch nie zuvor.
Der Dienstplan eines Filmkritikers steht, gefühlt bis zur Frührente
Hieß es in Sachen Kinohits nicht einmal: Niemand weiß irgendwas? Konnte die nächste verrückte Idee, von der niemand zuvor gehört hatte, nicht kollektive Träume entfachen, die Welt verändern und zum bis dahin erfolgreichsten Film der Geschichte aufsteigen? Ja, so war es einmal - etwa bei Steven Spielbergs "E.T.".
Dieses Überraschungsmoment, verbunden mit einer leidenschaftlichen Spieler-Mentalität der Produzenten und Kreativen, versöhnte auch kritische Kinogänger immer wieder mit der Idee des Blockbusters. Es konnte halt öfter mal etwas wirklich Überraschendes dabei herauskommen.
Aber diese Zeiten sind vorbei. Das große Geld ist für die nächsten fünf Jahre vergeben, die Jungtalente sind eingekauft, die Storylines werden gerade festgeklopft. Aktionäre und Investoren freut es natürlich, wenn so etwas wie Berechenbarkeit ins Filmgeschäft Einzug hält.
Aber leider verplanen die Studios damit ja nicht nur ihre Ressourcen, sondern auch die Terminkalender aller Kinozuschauer, die nicht ganz eigene Wege gehen. Ein Filmkritiker in mittleren Jahren, der das große Spektakel nicht scheut und von Berufs wegen auf dem Laufenden bleiben muss, kann mit den vorliegenden Daten jetzt seinen Dienstplan gestalten - gefühlt ungefähr bis zur Frührente.