Die Walpurgisnacht und der Aberglaube:Nackte Kiffer am Butterfass

Warum es in der Frühschicht am 1. Mai gefährlich ist, als Erster "Guten Morgen" zu sagen, der Nachbarin den Mixer auszuleihen oder an der Saale zu flanieren. Und warum es sich lohnen könnte, nackt Butter zu schlagen, dem Kollegen die Sonnenbrille zu klauen und Marihuana zu pflanzen.

Von Gregor Schiegl

Es liegt in der Natur des Aberglaubens, manchmal mit der Vernunft zu kollidieren - und auch mit der Moral. Für die Walpurgisnacht, die Nacht vom 30. April auf 1. Mai, gilt das ganz besonders. In dieser Zeit ist gutes Benehmen nicht gefragt. Mehr noch: Nett sein kann lebensgefährlich sein. Was Sie heute alles beachten müssen - wenn Sie denn dran glauben:

Hanf, dpa

Hanfanbau ist illegal - und gelingt nach altem Aberglauben ideal zur ersten Mai-Nacht.

(Foto: Foto: dpa)

Okkultes Wellness-Programm

Ein Bad ist nicht nur angenehm, es ist auch gesund. Am 1. Mai soll es sogar "von besonderem Segen" sein. Und sei es auch nur, dass Sie richtig sauber werden.

Wer einen gebrochen Arm oder ein lahmes Bein hat, dem rät der Volksmund, sich in der Walpurgisnacht vor 23 Uhr auf einen Kreuzweg zu stellen. Wer sich mangels Kreuzweg nachts mitten auf die Kreuzung zweier Bundesstraßen stellt, riskiert allerdings weitere Knochenbrüche - oder Schlimmeres. Damit der Zauber wirkt, muss man noch drei Kreuze über das malade Körperteil schlagen. Dann bleibt der Schaden auf dem Kreuzweg zurück und die Hexen nehmen ihn im Vorbeifliegen, sozusagen en passant, mit auf den Blocksberg. Was sie dort mit den gesammelten Leiden anstellen, wollen wir gar nicht wissen.

Davon abgesehen ist der 1. Mai ein eher ungesunder, potenziell sogar tödlicher Tag. Vor allem für neugierige Menschen: Wer in der Walpurgisnacht an einer Tür horcht und seinen Namen hört, stirbt noch im Laufe des Jahres, heißt es.

Wer zu den Unglücklichen gehört, die am 1. Mai nicht nur arbeiten, sondern auch noch zur Frühschicht antreten müssen, sollte sich besonders in Acht nehmen: Von zwei Menschen, die sich in der Frühe begegnen, hat der Morgenmuffel die höhere Lebenserwartung. Angeblich stirbt derjenige zuerst, der zuerst spricht.

Nackte Kiffer am Butterfass

Der Mixer bleibt hier

Brocken im Harz, dpa

Brennpunkt bevor die Maikrawalle in Berlin-Kreuzberg Mode wurden: der Brocken im Harz.

(Foto: Foto: dpa)

Dem Nudisten schlägt in der Walpurgisnacht die Stunde: Wer um Mitternacht nackt Butter rührt, hat das ganze Jahr über genug Butter. Und wer kein Beta-Karotin in seinem Brotaufstrich mag: Die Butter wird angeblich schön gelb, wenn die Kühe, die die Milch liefern, am Walpurgisabend Butterblumen zu fressen bekommen haben.

Weniger okkult: Butter auf Vorrat kaufen und einfrieren.

Daheim in der Küche sollte der Ofen am 1. Mai lieber kalt bleiben. Denn wenn gebacken wird, bleibt der Regen aus, unkt der deutsche Aberglaube. Für Sonnenanbeter heißt es deswegen vielleicht erst recht: Antreten zum Kuchenbacken! Und dann draußen in der Sonne braun werden wie der Schokoladenkuchen im Rohr.

Wenn die Nachbarin am 1. Mai klingelt und sich mal wieder den Mixer ausleihen will: Rücken Sie ihn bloß nicht heraus. Man soll an diesem Tag nichts verleihen oder verkaufen, weil man sonst leicht behext werden kann.

Selber die schicke Sonnenbrille des Nachbarn oder etwas anderes mitgehen zu lassen, bringt an diesem Tag dagegen Glück. Angeblich. Wir raten aber dringend ab, das auszuprobieren, und das nicht nur aus moralischen Erwägungen:

Der Bestohlene kann den Dieb ausfindig machen, wenn er in der Mai-Nacht einen Spiegel mit dem Glas nach unten auf einem Kreuzweg eingräbt. Wenn er ihn in der anderen Nacht zwischen 23 und 24 Uhr wieder ausgräbt, sieht er alles darin - auch den Diebstahl. Sieht er nichts darin, hat er seine Brille womöglich bloß verlegt.

Gurken und Marihuana

Gärtner, die am 1. Mai faulenzen, sind selbst schuld. Denn der 1. Mai ist der Tag des grünen Daumens. Bohnen, die man an diesem Tag setzt, "geraten gut" wie der Volksmund spricht. Wegen des Wetters muss man sich auch keine Sorgen mehr machen: Kürbiskerne und Gurken erfrieren nun nicht mehr.

Und für die Alternativen der Zunft: Der 1. Mai gilt auch als idealer Tag, um Hanf zu säen.

Suchen Sie im Meteoritenkrater

Probieren Sie statt Lotto mal das: Brechen Sie eine einjährige Haselrute, zwischen 23 und 24 Uhr in der Nacht ab. Sie eignet sich hervorragend als Wünschelrute. Sie verrät, wo im Boden Metall liegt. Leider macht sie keinen Unterschied zwischen römischen Goldmünzen und verrosteten Fahrrädern. Positiver Nebeneffekt der Rute: Wer sie bei sich trägt, stürzt nie in einen Abgrund. Verlassen sollte man sich aber nicht darauf.

Schatzsucher sollten um Mitternacht den Himmel im Auge behalten. Wer eine Sternschnuppe vom Himmel fallen sieht, muss dort nachgraben, wo sie niedergegangen ist: Denn dort liegt ein Schatz. Tipp: Lange genug graben. Irgendwann findet sich schon was.

Nackte Kiffer am Butterfass

Leichenhalle an der Saale

Die Geister regen sich überall in der Walpurgisnacht. Arme Seelen haben Freigang und dürfen in dieser Nacht als Fische verwandelt auf der Wasserfläche tanzen.

Gespukt wird überall. Es gibt jedoch Ecken in Deutschland, da spukt es noch etwas mehr als andernorts.

Ein richtiger "Brennpunkt" ist der Brocken im Harz. Dort treffen sich die Hexen seit 1990 wieder zu ihrer jährlichen Jahreshauptversammlung am Hexenfeuer mit dem Leibhaftigen selbst. Vorher war der Brocken russischer Armeestützpunkt in der DDR und weder für Normalbürger noch für Hexen zugänglich.

Für die Nordbayern: In Würzburg rumpelt in der Walpurgisnacht der Teufel als Parlafex in einer prächtigen Kutsche durch die Gassen.

Wer in Halle zu tun hat, sollte auf Spaziergänge am Fluss verzichten: Die Saale fordert in dieser Nacht ihr jährliches Todesopfer. Wer abends aber unbehelligt von abergläubischen Spinnern sein möchte, ist an ihren Ufern bestens aufgehoben.

Maikinder: Für die Katz

Der 1. Mai ist nicht nur Feiertag für Gewerkschafter. Er ist auch ein alter Feiertag des Bösen: Das betrifft vor allem die Kinder, die am 1. Mai zur Welt kommen. Die gehören nämlich den Hexen. So heißt es zumindest in der Oberpfalz.

In Schlesien hielt sich die Freude über Kinder, die am 1. Mai geboren wurden, ebenfalls in Grenzen. Aus ihnen werden angeblich ungeschickte, unbrauchbare Menschen. Aber das ist kein Grund, den Kopf hängen zu lassen. Sie können immer noch Fußballer werden - wie Oliver Bierhoff.

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