"Die schönen Tage" im Kino:Hedonistisch im Alter

Kinostarts - 'Die schönen Tage'

Wer könnte als Chef-Animateurin für den goldenen Herbst dieser Bourgeoisie besser geeignet sein als Fanny Ardant?

(Foto: dpa)

Caro trinkt ab mittags Edelrotwein und raucht mit ihrem jungen Liebhaber gern auch einen Joint. Fanny Ardant, François Truffauts letzte Muse, wird in "Die schönen Tage" zur Animateurin für jene, die in den Siebzigern "Bourgeoisie" hießen. Und die man heute nur noch "die Alten" nennt.

Von Philipp Stadelmaier

Was macht Fanny Ardant in einem Schauspielkurs für Senioren? Gleich zu Anfang des Films ist sie da hineingeraten, und ihre Trainerin ist eine dieser jungen, kalten und hysterischen französischen Schreckschrauben. Mit schriller Stimme und gnadenlosen Zwerchfellübungen will sie ein Lachen erzwingen. Fanny Ardant, blond, sanft und gerade sechzig, findet das gar nicht komisch. Also steht sie auf und geht. Vorerst.

Ardant spielt Caro, die ihr halbes Leben lang eine sehr gute Zahnärztin war und auch einen Zahnarzt geheiratet hat. Materielle Sorgen kennt sie schon lange nicht mehr. Jetzt aber, nach einem Vorfall in der Praxis, ist sie zwangspensioniert. Ihre erwachsenen Töchtern haben sie in eine Art Seniorenclub verfrachtet - um Maman mit allerhand Kursen in Schauspiel, Informatik und Weinverkostung ruhigzustellen.

Wenn aber Marion Vernoux' "Die schönen Tage" mit dieser offensichtlichen Farce beginnt, mit der Vorstellung, diese Leinwandgöttin könne ihren noch nicht einmal richtig begonnenen Lebensabend inmitten einer Laientheatergruppe verbringen, dann nur, um Ardants unantastbare Souveränität noch stärker zu profilieren. Was folgt, ist kein tragikomischer Film übers Älterwerden, kein Drama einer unverstandenen Frau. Denn diese Frau kann man kaum verletzen - man kann sie nur langweilen.

Wenn sie mal nicht kifft, raucht sie

Eine geheimnisvoll lächelnde Sphinx mit schwarzfunkelnden Augen, die nichts mehr zu tun hat - es wundert nicht, dass ihr dreißig Jahre jüngerer Informatiklehrer sogleich eine Affäre mit ihr beginnt. Eine wechselhafte Beziehung, fern jeder naiven Euphorie des zweiten Frühlings, fern aber auch jeder demütigenden Liebesgeschichte.

Caro wahrt ihre Autonomie, wie eine freie und hedonistische Fürstin, die sich durch nichts die gute Laune vermiesen lässt. Dem Ehemann und den geladenen Gästen knallt sie zum Abendessen mitgebrachte Pizzen auf den Tisch, um dann schnell zu ihrem Liebhaber zu huschen, bei dem sie zwei Szenen später giggelnd im Bett liegt - einen Joint rauchend.

Wenn sie mal nicht kifft, raucht Ardants Caro Kette. Sie fängt an, nicht nur zum, sondern tatsächlich vom Mittagessen an Wein zu trinken - in rauen Mengen, dafür bester Qualität. Den Großteil des Films über ist sie in einem sehr heiteren Sinne betrunken - ein Lebensentwurf, den man hier durchaus verteidigen muss. Es wäre möglich, dass Spießer aller Nichtraucher- und Nichttrinkerfraktionen von diesen "Schönen Tagen" alles andere als amüsiert sein werden - sofern sie nicht, vom stark unter ihnen verbreiteten Nikotin- und Alkoholmangel allzu nüchtern, in ihm nur "einen harmlosen und unterhaltsamen Film" sehen.

Cheerleaderin ihrer Generation

Dabei scheint Marion Vernoux zum Mitmachen geradezu einzuladen. Der Film, in dem alle möglichen Kurse angeboten werden und Ausflüge unternommen werden, ist selbst ein Animierfilm, angeführt von Fanny Ardant. Das Publikum soll mitlachen, mitweinen, mitspielen und mitlernen können. Die Zielgruppe besteht wohl hauptsächlich aus jenen, die hier auch zu sehen sind - eine Generation, die in den Siebzigerjahren jung war. Wie sich die Jugend von heute wohl mit Münztelefon und Rohrpost zurechtgefunden hätte, scherzt Caro einmal, und ihr Ehemann erinnert sich: "Wir haben die ganze Zeit nur Liebe gemacht." Ja, man war wild damals, ohne Geld - und, weiß Gott, vielleicht sogar ein bisschen links.

Mittlerweile nicht mehr. Wenn Caro und ihr Mann einmal in einem billigen Autobahnhotel stranden, träumt er über den pappigen Kandisküchlein aus dem Automaten von einem Glas edlem Château d'Yquem.

Wer könnte als Chef-Animateurin für den goldenen Herbst dieser Bourgeoisie besser geeignet sein als Fanny Ardant, die Ende der Siebziger-, Anfang der Achtzigerjahre berühmt wurde, als sie in den letzten beiden Filmen von François Truffaut spielte, in "Die Frau nebenan" und "Auf Liebe und Tod"? Danach nie wieder so präsent wie damals, steht sie noch heute in Kontakt mit dieser Zeit, bewegt sie sich in ihrem eigenen, langsamen Tempo.

Das berühmte "Warte, warte", das Truffaut in diesen Filmen sie oder zu ihr sagen ließ, findet in der Gegenwart ein Echo, wenn sie ihrem Liebhaber ein "Sie sind zu schnell" zuraunt. Mag sie hier auch die Cheerleaderin ihrer Generation geworden sein, die man jetzt nur noch "die Alten" nennt - so bleibt sie auch die Frau, die auf sich warten lässt und die zu lieben man erst lernen muss. Um zwischen ihren Beinen, die sich schon bei Truffaut wie Kompassnadeln durchs Bild streckten und dies auch bei Marion Vernoux noch tun, nicht die Orientierung zu verlieren.

Les beaux jours, F 2013 - Regie: Marion Vernoux. Buch: Vernoux, Fanny Chesnel. Kamera: Nicholas Gaurin. Mit Fanny Ardant, Laurent Lafitte, Patrick Chesnais. Verleih: Wild Bunch, 95 Minuten.

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