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"Die Schöne und das Biest" im Kino:Alle reden über LeFou

"Die Schöne und das Biest" wurde mit Emma Watson neu verfilmt. Aber ausgerechnet eine Nebenrolle löst kontroverse Diskussionen über Homosexualität aus.

Von Susan Vahabzadeh

Selbst im Vergleich zum Grimm'schen "Froschkönig" schneidet das französische Volksmärchen "Die Schöne und das Biest" nicht unbedingt als besonders frauenfreundlich ab: Mädchen wird von zum Biest verwunschenem Prinzen eingekerkert - und verliebt sich dann in ihn? Das ist, von heute aus betrachtet, schon ein seltsam düsteres Motiv; und Disneys "Die Schöne und das Biest" ist trotzdem ein ganz lichter, zauberhafter Film. Es reichen dafür ein paar Kunstgriffe - anders als im Märchen ist Disneys Belle kein Pfand, sie zieht selbstbestimmt in ihr Gefängnis, gegen den Willen ihres Vaters, der dort lieber selbst einsitzen würde. Das hilft schon mal. Und der Weg zu Belles Herz, die auch schon im Märchen eine Leseratte war, führt durch die Bibliothek.

Es gab dann in den letzten Wochen trotzdem eine Feminismus-Debatte um Disneys Neuverfilmung - Hauptdarstellerin Emma Watson, sonst als Frauenrechtlerin unterwegs, hatte nur mit einem Spitzenbolero bekleidet für ein Magazin posiert; das ist den Frauenrechten nicht zuträglich, möglicherweise aber auch nicht abträglich. Doch Watson wurde trotzdem als Verräterin angegriffen; und reagierte darauf dünnhäutig. Das macht aber nichts - "Die Schöne und das Biest" ist nicht misogyn. Emma Watson macht ihre Sache großartig, und die Teetassen und Kandelaber, mit denen sie es zu tun bekommt, sind niedlich und weise.

LeFou tanzt mit einem Mann, was schon Bekenntnis zu einem Weltbild ist

Belles Vater (Kevin Kline) ist versehentlich auf einer Kutschfahrt im Schloss des Biests gelandet und wird eingesperrt. Belle findet ihn mit Hilfe seines entlaufenen Pferdes - und nimmt dann seinen Platz in der Zelle ein. Das schlecht gelaunte Biest (Dan Stevens) ist eigentlich ein Prinz, der von einer Fee verflucht wurde, und mit ihm das gesamte Personal - das sich nun als Ehestifter versucht, denn alle werden nur erlöst, wenn das Biest ein Mädchen dazu bringt, es zu lieben. Was bei so viel Gestrüpp auf dem Kopf und Reißzähnen besonders viel innere Werte erfordert.

Das ist alles sehr schön. Wenn auch nicht schöner als in der Zeichentrickvariante von 1991. Bei Disney, geführt von Bob Iger, werden seit Jahren alle erfolgreichen Stücke zu einem Franchise gemacht und dann gemolken - einstweilen ist das sehr lukrativ. Die Real-Fassung hat der alten aber nicht viel hinzuzufügen; Kerzenleuchter, Uhr und Teekanne sind animiert, hier wie da, nur verwandeln sie sich diesmal irgendwann in Ewan McGregor, Ian McKellen und Emma Thompson.

Es ist in diesem Wunderland ohnehin nur wenig real. Da gibt es beispielsweise eine wunderbare Musiknummer, in der das Geschirr im Speisesaal einen ornamentalen Tanz aufführt, der eindeutig vom Musical-Regisseur Busby Berkeley inspiriert ist. Aber gemessen an den perfekt choreografierten Tänzen, bei denen Berkeley in den Dreißigerjahren echte Menschen zu grafischen Mustern zusammenfließen ließ, ist es nun eigentlich keine so große Kunst, Computergrafiken zu grafischen Mustern zusammenfließen zu lassen. Sieht aber toll aus.

Die Musik ist weitgehend die von damals, es schickt sich, nach "La La Land", also schon das zweite Musical in diesem Jahr an, die Kinos zu erobern - in Krisenzeiten boomt dieses Genre. Ganz unbehelligten Eskapismus aber gibt es heutzutage nicht mehr, Disney hat dann auch gar nicht erst versucht, die echte Welt ganz außen vor zu lassen. Belle hat im Dorf einen Verehrer, den schrecklich eitlen Gaston, und dessen Sidekick LeFou (Josh Gad) wurde vom Regisseur Bill Condon ganz offiziell als schwul annonciert. LeFou macht Gaston schöne Augen, tanzt mit einem anderen Mann und wird gerade herumgereicht als "erster offen schwuler Disney-Charakter", was dann schon ein Bekenntnis zu einem Weltbild ist. Nun ist die Diskussionen eröffnet, ob das wirklich stimmt - dass er die erste schwule Disney-Figur ist.

War möglicherweise das ganze Zeichentrickuniversum schon immer voll heimlicher Schwuler? Auf wie viele gleichgeschlechtlich orientierte Disney-Figuren man genau kommt, hat dann sehr viel damit zu tun, wie empfindlich man im Umgang mit Stereotypen ist. Benimmt sich Hades in "Herkules" (1997) tatsächlich Megara gegenüber wie ein klassischer schwuler bester Freund? Ist der Dschinni aus "Aladdin" schwul, bloß weil er ein bisschen mit Aladdin flirtet und gelegentlich den fliegenden Teppich im Stewardessen-Kostüm steuert? Ist "Basil, der Mäusedetektiv" heimlich in seinen Gegenspieler verliebt? Ist Elsa aus "Die Eiskönigin" (2013) lesbisch, nur weil ihr der Film keinen Mann zuweist? Das meiste davon lässt ziemlich überholte Klischees durchklingen.

Gegenwind von rechts

Bei LeFou hatte man schon in der animierten Variante feststellen können, dass er wenig Wert darauf legt, als ganzer Kerl herüberzukommen; es gibt eine Figur in "Arielle", die der legendären Dragqueen Divine nachempfunden ist; und ein gleichgeschlechtliches Paar, Esmeraldas Ziegenbock in "Der Glöckner von Notre Dame" (1996), in den sich der Wasserspeier Hugo verliebt. Der erste offen schwule Disney-Charakter könnte aber auch eine Nebenfigur aus "Die Eiskönigin" sein - ein Saunabesitzer, der "Hallo, Familie!" ruft und einem Mann mit Kindern zuwinkt; aber so richtig eindeutig ist die Szene nicht. LeFous offiziell bekundete Orientierung hat jedenfalls in den USA bewirkt, dass "Die Schöne und das Biest" schon vor dem Start Gegenwind von rechts bekam, und in Russland ist er - nach Protesten eines Abgeordneten - nun erst ab 16 Jahren freigegeben.

Diese Positionierung war Disney vielleicht durchaus recht, in den letzten Wochen gab es den eher aus der anderen Richtung - Bob Iger hat, als einziger Chef eines Unterhaltungskonzerns, eine Einladung von Donald Trump angenommen in ein Gremium von Wirtschaftsberatern. Als das unlängst erstmals tagte, war Iger verhindert, auf einer Aktionärsversammlung musste er sich in der vergangenen Woche trotzdem verteidigen. Seine Teilnahme, sagte Iger, sei keine Billigung von Trumps Politik. Die, das dürfte wohl die Befürchtung der Aktionäre sein, passt nicht recht zu Disney - die Disney-Geschichten handeln fast immer von Solidarität; und sie sind wertekonservativ. Von Iger, der selbst Demokrat ist, heißt es nun, er wolle sich möglicherweise selbst 2020 um die Präsidentschaft bewerben. Ein besserer Geschäftsmann als Trump ist er allemal.

Beauty and the Beast, USA 2017 - Regie: Bill Condon. Drehbuch: Stephen Chbosky. u.a. Mit: Dan Stevens, Emma Watson, Luke Evans. Disney, 129 Min.

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SZ vom 15.03.2017/smb
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