Die Lieblingsbücher unserer Prominenz:Dieses Buch nehme ich an

Was hat Verona auf dem Nachttischchen liegen, worin schmökert Harald Schmidt, wenn er alleine ist? Wir wissen zumindest, was unsere Prominenz lesen sollte.

Franziska Seng

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Friedrich Merz

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Was hat Verona auf dem Nachttischchen liegen, worin schmökert Harald Schmidt, wenn er alleine ist? Wir wissen zumindest, was unsere Prominenz lesen sollte.

Friedrich Merz: Miguel de Cervantes, "Don Quijote"

Der Noch-Politiker von hagerer Gestalt gleicht nicht nur in diesen Tagen Cervantes' tragikomischem Helden Don Quijote, der einst auszog, um eine marode Welt das Fürchten zu lehren.

Früher versuchte Merz im Kampf gegen mächtige Windmühlen, nämlich Parteikollegen, wacker standzuhalten. Heute tritt er auf als Verfechter hehrer Ideale, seine Thesen rühren an, weil sie an Märchen aus uralten Zeiten erinnern: "Mehr Kapitalismus wagen", so der Titel seiner neuen Streitschrift. Unglücklicher kann man den Nerv der Zeit nicht verfehlen, aber der Sauerländer wollte ja ein Buch wider den politischen Mainstream schreiben. Das ist ihm gelungen. Herzlichen Glückwunsch! Ein kleiner Trost: Irgendwann kommen selbst die ältesten Hüte wieder in Mode.

Text: Franziska Seng/sueddeutsche.de/jb/rus

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Verona Pooth

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Verona Pooth: Émile Zola, "Nana"

"Herzlich willkommen bei Peep!" Keiner kann sich ihnen entziehen. Freilich, Veronas Welt ist nicht mit den Schatten der Pariser Halbwelt gleichzusetzen, in deren Gefilden Émile Zolas Geschöpf schillernde Triumphe feiert. Aber ihre Erfolgsgeschichten sind beide verblüffend. Nana zum Beispiel kann weder singen noch schauspielern, aber ihr Lachen ist sehr verführerisch. Steht sie auf der Bühne, sind die Vorstellungen ausverkauft. Nana steigt in die Gesellschaft der Pariser Salons auf, wird zu jeder Party eingeladen. Sie ist das erste It-Girl der Weltliteratur. Warum selbst Berühmtheiten wie Gustave Flaubert und Édouard Manet ihr verfielen, ist schwer zu ergründen. Sicher ist nur: Unglaubbar, diese Grammatik! Unvergessbar, dieser Charme!

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Henryk M. Broder

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Henryk M. Broder: J. D. Salinger, "Der Fänger im Roggen"

Broder ist ein gealterter Holden Caulfield, ein sensibler, verkannter Philanthrop. Nur die schwere Last der Erfahrung hat ihn dazu bewogen, sich zum Schutz die Maske des Fulltime-Zynikers überzustreifen. Er steht im wogenden Feld der deutschen Medienlandschaft und versucht, uns Kinder, die wir "Alle Menschen werden Brüder" jubilierend dem Abgrund entgegentorkeln, aufzuhalten. Nicht alle wollen das. Sträuben sich, strampeln mit Armen und Argumenten. Aber wenn der Gute uns erst mal im Griff hat, putzt er uns die Nasen, pult Schmalz aus den vom Konsens-Müll verstopften Ohren, pustet die Gehirnwindungen ordentlich durch. Das ist die ganze Kunst. Nach diesem mentalen Einlauf fühlen wir uns leicht und befreit und lachen sogar über seine lauwarmen Gags.

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Jürgen Klinsmann

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Jürgen Klinsmann: Hermann Hesse, "Siddharta"

Hesses "Siddharta" ist das Standardwerk für bessere Menschen und solche, die es werden wollen. In eingängigen, nach tausend Blumen und Räucherkerzen duftenden Sätzen geschildert wird der Weg einer wunderbaren Erleuchtung. Fern sind im Augenblick des Lesens der Lärm, höllisch brodelnde Fanmeilen und Zivilisationsängste. Jürgen Klinsmann, auf dessen semmelblondem Schopf sich an so manch vergangenem Spieltag die Sonne zum verklärenden Heiligenschein brechen sollte, hatte dem FC Bayern neue, siddhartahafte Erkenntnisse geschenkt: "Alle reden davon, dass Spiele oft im Kopf entschieden werden, aber niemand kümmert sich um den Kopf." Klinsmann wollte sich um die bayerischen Köpfe kümmern. Doch sie dankten es ihm nicht. Die zur Erbauung installierten Buddha-Statuen wurden entfernt, Luca Toni will kein Yoga machen, lieber Tore schießen. Klinsi wird nicht aufgeben. Denn nach der Hesse-Lektüre weiß jeder: Der Weg zur Erkenntnis ist lang, ein eigenes, bescheidenes Bratwurst-Imperium kann auf Dauer nicht glücklich machen, und die nächste Erleuchtung kommt bestimmt.

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Gabriele Pauli

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Gabriele Pauli: Franz Kafka, "Die Verwandlung", "Ein Landarzt", "Das Schloss"

Als Gabriele Pauli eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand sie sich in einer Hochglanzzeitschrift zu einem unheimlichen Fashion-Victim verwandelt. "Was ist mit ihr geschehen?", dachten die damaligen Parteikollegen. Es war kein Traum.

Die Landrätin war in großer Verlegenheit. Doch sind fand eine neue Heimat und erklomm bald darauf den schroffen Hügel des Münchner Maximilianeums. Seitdem schallt der hämische Gesang der Kinder durch die Gassen: "Freuet euch, ihr Abgeordneten, die Ärztin ist euch ins Bett gelegt!"

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Josef Ackermann

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Josef Ackermann: Fjodor M. Dostojewski, "Der Spieler"

Josef Ackermann muss hier wieder für seinen Berufsstand herhalten, sorry, Herr Ackermann, wo sie doch jetzt sogar auf ihre Prämie verzichten. Trotzdem gilt er als Symbolfigur für Männer und Frauen, in denen nun mal Kinder stecken, und die nun einmal spielen wollen. Allerdings nicht mit Eisenbahnen oder Modellflugzeugen, sondern mit Geld, das ihnen irgendwie in den Schoß gefallen ist. Wer Dostojewskis "Der Spieler" gelesen hat, weiß, warum die das machen, und wie schwer für sie das Aufhören ist. Wenig hilfreich ist dagegen Dostojewskis Erkenntnis, dass sich daran nie etwas ändern wird.

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Oskar Lafontaine

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Oskar Lafontaine: "Genial kochen mit Jamie Oliver"

Jamie Olivers Erfolgsgeheimnis ist so simpel wie massentauglich: Kein kompliziertes Insider-Wissen, Medienpräsenz, sozialverträgliche Zutaten, und die Rezepte sind selbst für den Koch-Banausen nachzuvollziehen. Selbiges gilt für Oskar Lafontaine. Nur dass ein einziger Koch es nicht schaffen kann, den Brei zu verderben.

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Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier

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Frank-Walter Steinmeier: Robert Musil, "Der Mann ohne Eigenschaften"

Unauffälliger geht es nicht: Frank-Walter Steinmeier ist das Paradebeispiel für den Mann im Hintergrund. Was er dort treibt, ist zumindest für den Fernsehzuschauer schwer ersichtlich. Irgendetwas muss es sein, sonst wäre er jetzt nicht Kanzlerkandidat. Aber private Schwächen, Eigenschaften oder Leidenschaften, etwa für Swimmingpools oder kubanische Zigarren, kann man sich bei ihm nur schwer vorstellen. Betraut mit der Koordinierung der großen deutschen Koalition, befindet er sich auf jeden Fall in einer ähnlichen politischen Situation wie Musils Mann ohne Eigenschaften, der betraut war mit der Koordinierung der großen vaterländischen Aktion. Der Job ist hart: Konsens wird in beiden Situationen meist nur auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner erreicht, wie etwa beim kakanischen Beschluss zur Gründung der "Franz-Josef-Suppenanstalt" zu Ehren des österreichischen Kaisers. Auch Erfolge spielen sich für Männer ohne Eigenschaften eher unspektakulär ab.

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Kevin Kuranyi

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Kevin Kuranyi : Alexander Solschenizyn, "Archipel Gulag"

Ist der DFB eine Insel, wo Menschenrechte außer Kraft gesetzt sind? So schlimm kann es natürlich nicht sein, schließlich durfte Kuranyi ungehindert ausbrechen. Nur rein darf er jetzt nicht mehr, selbst wenn er wollte. Man weiß nicht genau, was innerhalb des hermetisch abgeriegelten Nationalteams alles passiert, jedoch der psychische Druck muss enorm sein: "Der Zusammenbruch ergab sich aus dem Ganzen, was in den vergangenen Jahren vorgefallen ist, ich konnte es nicht mehr ertragen", so der sensible Stürmer. Nun fühlt sich auch sein Kollege Torsten Frings vom Teamchef gedemütigt, weil er sich beim Spiel gegen Wales nicht warmlaufen durfte. Tipp für Juri Löw für den menschlichen Umgang mit Spielern: sich mal Lektüreempfehlungen beim leuchtenden Beispiel Klinsi holen.

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Harald Schmidt und Oliver Pocher

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Oliver Pocher und Harald Schmidt: Thomas Bernhard, "Der Ignorant und der Wahnsinnige"

Da haben sich zwei gefunden: Mussten sie zuvor alleine, ohne einander, ihre Witze und Wehwehchen in den Äther hinausposaunen, sitzen sie nun beisammen zu Tisch, wie der Ignorant und der Wahnsinnige in Bernhards gleichnamigen Stück, und sie reden und reden, ohne Rücksicht auf Verluste. Wirken dabei wie unglückliche Homunkuli, gezeugt in den Untiefen des Bernhard'schen Figurenkosmos. Zwei rotierende Gagmaschinen, aufgefressen von den höchsten Ansprüchen an sich und ihre Kunst. Das Ergebnis ist verheerend. Literatur kann ja so grausam sein.

Foto: ddp

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