Die Krimi-Kolumne:Garry Dishers lieblose Welt

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Hat man Constable Hirschhausen in die Bitter Wash Road gelockt, um ihn hier zu erledigen? Jedenfalls werden ein paar Menschen von uns gehen. Manche davon mit Würde: "Ich gehe mit Glanz und Gloria unter."

Von Fritz Göttler

Ein Ast liegt quer über der Straße, ein Querschläger pfeift um den Wagen. Constable Hirschhausen von der Polizeistation in Tiverton duckt sich und langt nach seiner Dienstwaffe, einer Smith & Wesson, Kaliber .40, Halbautomatik. Hat man ihn hinausgelockt in die einsame Bitter Wash Road, um ihn hier zu erledigen? Der junge Constable wird unruhig. "Es hätte Angst sein können, doch er wusste, wie Angst sich anfühlte. Kam das von dem Windpark? Hirsch war nicht weit von einer der Turbinen entfernt. Der Mast stand auf dem Hügel, auf dem sich der Schütze versteckte, der erste in einer ganzen zackigen Reihe, die sich diesseits des Tales erstreckte; die Rotorblätter schnitten mit einem steten, rhythmischen Rauschen durch die Luft, das einem tief in die Eingeweide drang. Es schien Hirsch mehr als passend, dass er hier, wo die Welt so lieblos war, sein Leben aushauchen sollte . . ."

Es ist dann aber doch nur ein Kinderspiel, Katie und Jack haben das Gewehr von Jacks Vaters geschnappt und machen Schießübungen auf dem Hügel. Hirsch, wie er sich gern nennen lässt, belehrt sie, wie gefährlich das ist, Katie belehrt ihn dafür, er solle lieber nach dem schwarzen Wagen forschen, den sie vorbeifahren sahen - den schwarzen Chrysler von Pullar und Hanson, einem seit Tagen von der ganzen australischen Polizei gesuchten Vergewaltiger/Mörderpaar. Hirsch fährt dann die Kinder nach Hause und lernt dort die Mütter der beiden kennen.

Das macht seekrank, diese riesigen Windräder zur Energiegewinnung

Ein Mistkerl. Ein Verräter. Hirsch hat allen Grund, so vorsichtig zu sein, immer das Schlimmste zu befürchten. Er ist strafversetzt worden ins öde Hinterland, auf eine Ein-Personen-Station. In der Stadt Adelaide, ein paar Autostunden entfernt, hatte er Schwierigkeiten mit internen Untersuchungen gekriegt, hat gegen korrupte Cops ausgesagt, wird nun allerorts schikaniert, immer wieder zu Aussagen herbeizitiert - sogar falsche belastende Indizien hat man in seinem Wagen placiert. Auch mit seinem Vorgesetzten, dem Sergeant Kropp kommt er nicht so gut zurecht.

Hirsch ist ein überraschend junger Held im Roman-Universum von Garry Disher, der uns bereits mehrfach vom Verbrecher-Einzelgänger Wyatt erzählte (deutsch bei Pulp Master) und von den Ermittlungen des Teams um Inspektor Hal Challis (im Unionsverlag). Die Lehrmonate des Constable Hirsch in "Bitter Wash Road" passen sich diskret dem Krimi-Genre an, sie folgen der Linie von Vermutungen, Andeutungen, Korrekturen, von Erkenntnis und Desillusion, die der junge Cop absolviert. Es geht um ein Mädchen, das an einem einsamen Straßenrand überfahren gefunden wird, ein anderes Mädchen verschwindet, eine Frau begeht Selbstmord, der das keiner zugetraut hätte. Es geht um den Widerstand, den die Frauen endlich einleiten, gegen die Verachtung und Gemeinheit der Männer, gegen Rassismus und Perversion, oder auch nur gegen unentschlossene, dumme Trägheit. Es geht um ein Land, das ausgepowert und ausgeplündert und ohne Perspektiven ist. Das macht seekrank, diese riesigen Windräder zur Energiegewinnung, diese Zeichen der Zukunft - das ist ein physischer Zustand, eine Erfahrung, die allen Menschen gemeinsam zu sein scheint.

Der schwarze Chrysler ist dann doch nicht der von Pullar und Hanson, aber er trägt ein nicht minder scheußliches Geheimnis mit sich. Und die negative Meinung, die Hirsch von einem seiner Kollegen hatte, muss am Ende doch revidiert werden. Dieser Mann hat dann auch das letzte Wort: "Ich gehe mit Glanz und Gloria unter."

Garry Disher: Bitter Wash Road. Roman. Aus dem Englischen von Peter Torberg. Unionsverlag, Zürich 2016. 344 Seiten, 21,95 Euro. E-Book 14,99 Euro.

© SZ vom 17.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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