"Die Königin und der Leibarzt" im Kino:Schlafen, vielleicht träumen

Ein wildes Stück Aufklärung: In "Die Königin und der Leibarzt" wird Johann Friedrich Struensee als verdeckter Operateur der Aufklärung am dänischen Hof eingeschleust und bald zum König ohne Krone. Die Manipulationsgeschichte ist vor üppigem Dekor inszeniert - nicht zufällig ist einer der Produzenten des Films Lars von Trier, Liebhaber des großen Zermoniells.

Fritz Göttler

Eigentlich ist das keine schlechte Reputation, zu der Doktor Johann Friedrich Struensee es gebracht hat: Von O. W. Fischer auf der Leinwand dargestellt in den Fünfzigern, nun vom Weltstar Mads Mikkelsen, dazu ein schönes Buch von Per Olov Enquist, "Der Besuch des Leibarztes".

Kinostarts - 'Die Königin und der Leibarzt'

Johann Friedrich Struensee (Mads Mikkelsen) und Königin Caroline Mathilde (Alicia Vikander) in "Die Königin und der Leibarzt".

(Foto: dpa)

Ein Herrscher ohne Krone war Struensee am dänischen Hof, Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre des 18. Jahrhunderts, an der Seite des jungen Königs Christian VII. und im Bett der jungen Königin Caroline Mathilde. Siebzehn war der König zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen, fünfzehn seine Frau, aus England eingeführt. Eine Teenagerehe, der König galt als liederlich und wirr im Kopf. Im Hintergrund, in Lauerstellung, gab es des jungen Königs ehrgeizige Stiefmutter und deren Sohn.

Nikolaj Arcel hat die Geschichte um Christian und Struensee nun in prächtigen Dekors verfilmt, in Cinemascope, so dass man in den Tableaus die Nervosität und Ungeduld spürt, die all die königlichen Rituale und politischen Arrangements täglich hervorrufen. Lars von Trier ist einer der Produzenten und hat am Drehbuch mitgearbeitet, auch er - siehe "Melancholia" - liebt das große Zeremoniell, seiner üppigen Sinnlosigkeit wegen, in der jede Menge ironisches Potential steckt. Dass die frühe Aufklärung durchaus ihre absurden und lächerlichen Züge hat, wurde in Philipp Bloms Buch "Böse Philosophen" lustvoll vorgeführt.

Der Ausgangspunkt der königlichen Affäre ist Altona, damals dänische Kolonie, wo man gewissermaßen im Arsch ist. Wo Struensee als Armenarzt praktiziert und die so progressiven wie lebenslustigen Rumtreiber Rantzau und Brandt hausen - sie wurden vom dänischen Königshof ausgemustert und träumen heftig von schnellstmöglicher Rückkehr.

Im Sinne von Voltaire und Diderot

Also schlagen sie Struensee einen irren Deal vor - der junge König, eben auf der Durchreise, braucht einen Leibarzt und Intimus, und es gelingt, den aufklärerischen Struensee auf diesen Job einzuschmuggeln, undercover - sein Vater ist nämlich einer der strengsten, reaktionärsten Prediger des Landes. Struensee macht mit, belustigt und ungläubig.

Dies ist, wie immer man es auch drehen und wenden mag, eine Geschichte bedenkenloser Manipulation. Struensee operiert, mit Hilfe des jugendlichen Königs, im Sinne der Aufklärung von Voltaire und Diderot. Aber Aufklärung ist kein simpler evolutionärer Prozess, kein natürliches Es-werde-Licht, sondern ein zwielichtiges Geschäft, bedeutet Machtpolitik, in dem forciert und intrigiert wird, man lässt Beziehungen spielen oder übt harte Gewalt aus.

Am Ende mag die Entwicklung sich dann auch plötzlich gegen die Aufklärer selbst wenden. Die Pressefreiheit, die Struensee und die Seinen im Staate Dänemark durchgedrückt haben, nutzen die Gegner dann, um in schmierigen Flugblättern die Liebesaffäre von Leibarzt und Königin anzuprangern. Struensee muss den Fortschritt wieder zurücknehmen, den er gebracht hat. Er endet - das ist sicher kein historischer Spoiler - auf dem Richtplatz.

Anarchie und Aufklärung

Struensee ist ein großer Naiver der Weltgeschichte, nicht immer auf der Höhe des Geschehens, und manchmal erscheint er - wie Mikkelsen ihn hier spielt - auch als Unsympath. Die Augen müde zusammengekniffen, der Mund skeptisch verzogen. Von seinen eigenen Erfolgen und Errungenschaften überrascht.

Ein historisch einmaliges Projekt, aber Struensee und seine Spießgesellen betreiben es wie ein Kinderspiel. Durch absurde Umstände haben sie die ungewöhnlichsten Spielzeuge in die Hände bekommen - Strafgesetzgebung, Pressefreiheit, Sozialfürsorge. Aber sie spielen auf dem gefährlichen Feld der Politik.

Es ist Manipulation, was Struensee betreibt, Manipulation auch des kindischen, unzurechnungsfähigen, kranken Königs. Das zweite Kind der königlichen Ehe, wird gemunkelt, ist nicht von ihm. Er ist ein Dummy, ein Akteur, der vorgeschriebene Texte deklamiert und auf dessen Gefühle nicht Rücksicht genommen werden kann. Er will gern Nutten mit großen Brüsten, hätte den Hof am liebsten als Hurenhaus. Manchmal hat er auch mächtig Spaß, wenn er originelle Sachen proklamieren kann, zum Beispiel der Scheiße den Krieg erklärt: mehr Abfallsammler für die Stadt.

Silberner Bär als bester Darsteller

Den Rahmen des Films gibt ein Brief ab, den die junge Königin aus dem Exil schreibt, als alles wieder beim Alten ist. Sie schreibt an ihre Kinder, die sie nie wieder sehen wird. Nun geht es wieder um Rechtfertigung, der einen Generation gegenüber der anderen. Der Sommer von Freiheit und Anarchie ist vorbei. Ich mag das Reiten nicht, hatte sie damals Struensee erklärt, das sei so unbeholfen. Ja, hat Struensee erklärt, weil Sie im Damensattel reiten . . .

Anarchie und Aufklärung, der Film spielt beide gegeneinander aus. Mikkel Følsgaard spielt den jungen Christian mit einem wunderbaren Babygesicht, mit der Blässe eines pubertierenden Jungen. Er hat den einzig unschuldigen Traum von allen, den der Lust. Bei der Berlinale hat er dafür den Silbernen Bären als bester Darsteller bekommen.

Was er gern machen würde, wenn er kein König wäre, fragt Struensee ihn beim Vorstellungsgespräch, und der König erwidert mit dem hamletischen "To sleep ... perchance to dream . . .", und setzt das fort in ein ungeduldig verrücktes Shakespeare-Zitaten-Pingpong. Das erste Wort im berühmten Satz hat er weggelassen, to die, to sleep . . .

Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Fassung des Textes war davon die Rede, dass Johann Friedrich Struensee im 17. Jahrhundert am dänischen Hof gewesen sei. Diese Darstellung entspricht nicht den Tatsachen - Struensee war im 18. Jahrhunder am dänischen Hof. Wir danken dem Leser "lenzd" für den entsprechenden Hinweis, wir haben den Fehler inzwischen korrigiert.

EN KONGELIG AFFÆRE, Dänemark 2012 - Regie: Nikolaj Arcel. Buch: Nikolaj Arcel, Rasmus Heisterberg. Kamera: Rasmus Videbæk. Mit: Mads Mikkelsen, Alicia Vikander, Mikkel Følsgaard, David Dencik. MFA+, 133 Minuten.

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