Süddeutsche Zeitung

·:Die hatten sich nie in der Wolle

Benetton ist 41 Jahre alt, feiert aber den 40. Auch sonst war hier immer alles etwas anders, als es den Anschein hatte. Eine Gratulation in sechs Antworten.

Wäis Kiani

Es gibt Labels, die kennt jeder, denn sie sind so gigantisch in Wirkung und Aussage, dass man nichts mehr erklären muss. Coca Cola ist so ein Label, natürlich auch Marlboro oder McDonald's. Aber die kommen aus Amerika, und Amerika ist ein gigantisches Land mit vielen gigantischen Menschen.

Es gibt aber auch Labels, die ebenso groß sind, obwohl das Land ihres Ursprungs klein ist. Benetton ist die einzige Pullovermarke, über die jedes Kind auf der Welt Bescheid weiß. Man kann trotzdem nie alles wissen. Zum Beispiel feiert Benetton jetzt seinen 40. Geburtstag, obwohl es die Marke schon seit 41 Jahren gibt.

Deshalb gibt es hier Antworten auf Fragen, die bisher nicht gestellt wurden.

Antwort 1: Ja, bei Benetton arbeiten glückliche Menschen.

Benetton ist in der italienischen Kleinstadt Treviso zu Hause, der Stadt, aus der auch Luciano Benetton und seine Familie stammen. Das Benetton-Imperium ist in einer alten Sommerresidenz der Patrizier inmitten eines großen Parks untergebracht. Von außen lässt sich kaum vermuten, dass hier 700 Leute unter ökologisch recht anspruchsvollen Bedingungen arbeiten. Jedenfalls gibt es keinen Hinweis in Form eines Logos. Der Portier an der Einfahrt macht den Zugang für Fremde unmöglich.

Die Benetton-Designer sind in Zen-artigen Pavillons zwischen japanischen Landschaftsgärten, Wasserläufen in Metallbetten, alten Weinreben und Granatapfelbäumen untergebracht. In der Fabrik wurde schon in den sechziger Jahren eine mitarbeiterfreundliche Klimaanlage eingebaut. Wenn man aus den Büros in den Park hinaussieht, erinnert es an Filme wie ,,Zimmer mit Aussicht''. Das Anwesen strahlt eine Grandezza aus, dass man glücklich sein muss.

Antwort 2: Eine gute Idee und ein gutes Herz sind eine gute Basis für Erfolg.

Luciano arbeitete mit 14 bereits als Stoffverkäufer in einem Geschäft in Treviso. Zu dieser Zeit hat ihm seine Schwester Giuliana einen knallgelben Pullover gestrickt, an dem war nichts Besonderes, nur die Farbe erregte einige Aufmerksamkeit. Die zweite Zündung waren die Olympischen Spiele in Rom 1960, als überall bunte Fahnen wehten. Diese Fröhlichkeit steckte den Provinz-Italiener Luciano an. In seinem Kopf wurde die Idee "United Colors of Benetton" geboren. "Ich war nie ein Fashion-Victim", sagt er, "ich war nur ein guter Beobachter."

Antwort 3: Benetton-Strick ist das Kaschmir des gehobenen Proletariats.

In den Achtzigern gab es Popper und solche, die gerne welche gewesen wären. Beide waren gepuderte Spießer aus Überzeugung, vergleichbar mit den heutigen Neocons und Berlin-Mitte-Schnöseln, die das alte Stadtschloss wieder aufbauen wollen. Und beide, echte wie unechte Popper, standen zum Beispiel in Düsseldorf so lange in der Discothek "Checker's" herum, bis die Jungs aus dem "Ratinger Hof" vorbeikamen, um ihnen mit Zigaretten Löcher ins Kaschmir zu brennen.

Die echten Popper trugen Lacoste, die Möchtegerns mit dem kleineren Budget trugen Benetton, am liebsten über die Schultern geworfen. Für die harmlosen kleinen Mädchen waren pinke und türkise Sachen das Allergrößte. Zu jedem Geburtstagsfest kam mit etwas Glück ein neuer Benetton dazu. Irgendwie war Benetton also der Vorreiter der Labelmania in Schülerkreisen. Heute hat Benetton eine gesetztere Kundschaft. Außer Pullovern gibt es mittlerweile Röcke, Hosen, Jacken, Wäsche, Brillen. Aber wer einen normalen V-Ausschnitt Pullover sucht, weiß nun , wo er ihn in allen Farben bekommt.

Antwort 4: Provokation kann nach hinten losgehen.

Nicht weit vom Benetton-Werk in Treviso gibt es noch eine andere alte, wunderschöne Villa in einem großen Park. Die Fabrica ist so etwas wie Benettons hausinterne Werbeagentur und Denkfabrik, in der jedes Jahr 40 Nachwuchskünstler ein einjähriges Stipendium absolvieren. Hier wird auch das berühmte Magazin Colors produziert, und alles, was sonst mit Werbung und Kommunikation zu tun hat.

Eine der bekannten "united colors of Benetton"-Kampagnen, zur Todesstrafe in den USA, führte zum Verlust von 400 Verkaufsstellen und beendete im Jahr 2000 die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Luciano Benetton und dem Fotograf-Revoluzzer Oliviero Toscani. Während sich Benetton öffentlich entschuldigte, wollte Toscani nicht klein beigeben.

1982 hatte die Benetton-Revolution begonnen: Zum ersten Mal wurde nicht mit Produkten geworben, sondern mit Kondomen, Mafia-Opfern, Priestern, die Nonnen küssen, mit weißen Babys an schwarzen Brüsten, mit Aids-Kranken, mit Flüchtlingsschiffen, mit Geschlechtsorganen, mit blutverschmierten Hemden toter Soldaten im Jugoslawien-Krieg, skandalöse Motive, die die Gemüter erregten und zu Kunst erklärt wurden. Für ein ehemaliges Popperlabel ziemlich bemerkenswert.

Antwort 5: Blut ist dicker als Wasser.

Im März 1965 wurde die Fabrica Benetton gegründet, schon 1969 wurde in Paris das erste Auslandsgeschäft eröffnet. Mit den Brüdern Carlo als Industrie-, Gilberto als Finanz-, Schwester Giuliana als Stil- und ihm selbst als Außenminister. Auf die Frage, worauf er am stolzesten sei, sagt Luciano bescheiden: ,,Darauf, dass wir uns in den 40Jahren gemeinsamer Arbeit nie in der Wolle hatten und dass wir, mit allen Mitarbeitern, zu einer Familie gewachsen sind.''

Antwort 6: Italiener feiern die besten Feste.

Das Centre Pompidou, die Pariser Institution für zeitgenössische Kunst, hat anlässlich des Firmenjubiliäums eine Modenschau organisiert und gleichzeitig in den Räumen die Austellung ,,Fabrica-Les Yeux ouverts'' präsentiert, wo vier Wochen lang Forschungsprojekte der Fabrica gezeigt wurden. Und weil die Benettons sehr viele Freunde haben, kamen 1500 teilweise hochprominente Gäste aus aller Welt. Patti Smith sang mit dunkler Stimme für ihren Freund Luciano, der den eigenwilligen Auftritt einer ehemaligen Punkerin, die heute ein Hippie ist, mehr genoss als die meisten seiner hippen Gäste, von denen einige ganz klar ehemalige Popper waren.

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SZ am Wochenende vom 16./17.12.2006
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