Süddeutsche Zeitung

Die Gebrüder Jimi Blue und Wilson Gonzalez:Sei mir ein Ochsenknecht

Von der Medienwelt werden sie belächelt - doch was die beiden Brüder anfassen, wird zu Gold. Was ist dran am Phänomen Jimi Blue und Wilson Gonzalez Ochsenknecht?

Sarah Ehrmann

Sie waren wohl kaum einen Meter fünfzig groß, hatten Stupsnasen und Piepsstimmen, als ihre bis dato so ungewöhnlichen wie unbekannten Namen 2003 erstmals durch die deutsche Presse geisterten: Jimi Blue und Wilson Gonzalez Ochsenknecht, Söhne von Uwe und Natascha Ochsenknecht. Die erfolgreiche Kinderfilmreihe "Die Wilden Kerle" (DWK) nach der Buchvorlage "Die wilden Fußballkerle" hatte die beiden Jungs ins öffentliche Interesse gerückt. Ihre Leistung als Anführer Leon und dessen Bruder Marlon wurde mit dem "Undine Award" als Beste Filmdebütanten belohnt.

Aber anders als beispielsweise die Altersgruppen-kompatiblen "Harry Potter"-Kinofilme blieben auch die Fortsetzungen von "DWK" stets einer Zielgruppe von Acht- bis Zwölfjährigen vorbehalten. Und so wurden auch Jimi und Wilson in der öffentlichen Wahrnehmung mit dem Kinderfilmgenre in Verbindung gebracht.

Erst 2007 reagierte die Medienwelt noch einmal verstärkt auf die Gebrüder Ochsenknecht - anerkennend, gleichgültig oder schmunzelnd. Nachdem nämlich "DWK 4" mehr als 11 Millionen Euro an den Kinokassen eingespielt hatte, Wilson Gonzalez seinen Austritt aus der Erfolgsreihe bekannt gegeben und Jimi Blue seine Pläne für ein Musikalbum öffentlich gemacht hatte. Mit stolzgeschwellter Brust habe Mutter Natascha Ochsenknecht damals im Berliner Kurier verkündet: "Mein Jimi Blue ist der neue Justin Timberlake". Eine hoch angelegte Messlatte, die der Junior unmöglich erreichen konnte.

Musste er aber auch gar nicht. Zielgruppenorientiert bugsierte sich die von Universal produzierte Platte "Mission Blue" wie von selbst in die Charts. Einfache, schon fast dümmlich-naive Texte ("Hey Jimi, hey Jimi, heyhey Jimi"), eingängige, massenkompatible Rhythmen und funkige, amerikanisierte Videoclips - offensichtlich hergestellt mit großem Budget - überdeckten, dass es mit dem Rap-Talent des damals 15-jährigen Beau nicht allzu weit her war. Dazu ein geschickter Apparat an Eigen- und Fremdvermarktung - und die Marke "Jimi Blue", "JB", war geschaffen. Inzwischen wird alles was der "Mini-Justin" anfasst, offenbar zu Gold.

Im November 2007 veröffentliche Jimi Blue sein erstes Album "Mission Blue" - eine Mischung aus Justin-Timberlake-Beats und Teenie-Texten über "little red hotpants". Doch allen Kritikern zum Trotze landete das Erstlingswerk prompt auf Platz 16 in den Deutschen Charts. Drei Singles wurden bisher aus dem Album ausgekoppelt. "I'm lovin ... (L.R.H.P)" - Ich liebe kleine rote Hotpants - schaffte es sogar auf Platz 5 der Singlecharts. Inzwischen gibt es dazu passend eine von Universal veröffentlichte DVD "Behind the Scenes".

Längst gibt es eine ausführliche Kollektion an "JB"-Fan-Artikeln, vertrieben über die Homepage des 16-Jährigen. Eine Klamotten-Kollektion ist im Gespräch. Aus keiner Bravo-Ausgabe ist der Trendsetter mehr wegzudenken. Kürzlich erschien das erste offizielle Jimi-Blue-Fanmagazin, wieder einmal im Auftrag von Universal Music. Für 3,50 Euro gibt es darin 74 Seiten Infos und Berichte über den Ochsenknecht-Spross und jede Menge Poster.

Auf Jimi Blues Homepage kann inzwischen sogar eine "Jimi Blue"-Kreditkarte erstanden werden, für die größtenteils minderjährigen Fans auch als Prepaid-Karte. Der Ochsenknecht'sche Clou daran: Für jeden mit der Plastikkarte bezahlten Euro erhält der Fan einen Sammelpunkt, der später im Jimi-Blue-Fanshop eingelöst werden kann.

Nach dem unübersehbaren Erfolg des kleinen Bruders legt jetzt Wilson Gonzalez nach: Auch er nahm nun eine Platte bei Universal auf, Erscheinungstermin ist der 23. Mai. Auch "Cookies" klingt massenkompatibel. Eine Mischung aus Indie-Pop, Alternative Rock der Achziger Jahre und Old-School, die zwar keinem weh tut, aber auch alles andere als neu ist.

Auf der nächsten Seite: Die intelligente Vermarktungsmaschinerie Ochsenknecht.

Wilsons Album klingt wie ein homogener Mix aus den Stilrichtungen bestehender Bands: Sehr viel "Arctic Monkeys" und "Queens of the Stone Age", deutliche Einschläge von "Sugarplum Fairy" und "Mando Diao" zusammen mit etwas Mainstream von "Sunrise Avenue" und einem Touch Ungezähmtheit aus den Anfängen von "Kiss". Wilson hat eindeutig die bessere Stimme der beiden Brüder. Doch "Cookies" ist zu sehr eine Zusammenstellung von Kopiertem, als dass man sich wirklich ernsthaft damit auseinandersetzen könnte. Gut vorstellbar als Backgroundmusik in Billigläden für Teenagerklamotten.

Erfolgreich wird Wilson Gonzalez damit trotzdem sein. Denn das Zielpublikum ist mit einem Durchschnittsalter um die 15 zu jung, um all diese Einflussgeber noch selbst zu kennen. Sie sind aufgewachsen mit Justin Timberlake und Rihanna und auf der Suche nach Abgrenzung werden sie wie Generationen vor ihnen beim alternativen Rock-Pop landen.

Und genau hier beginnt das Phänomen Ochsenknecht: Die Gebrüder Ochsenknecht sind zweifelsohne talentierte Kinder eines Schauspielerehepaares. Dass Talent allein nicht genügt, wussten auch die Eltern Ochsenknecht, und so begann die Förderung der Jungs schon früh und in alle Richtungen. Mit Besuchen am Set und kleinen Gastauftritten in Filmen wurden sie an das Spiel vor der Kamera gewöhnt. Beide erlernten Instrumente, Jimi Gitarre, Schlagzeug, Saxophon, Geige und Klavier, Wilson Gonzales Schlagzeug. Auch in ihrer jeweiligen Interessenausübung konnten sich stets tatkräftiger Unterstützung sicher sein. Wilson besuchte ein Jahr lang eine Kunstschule in den USA, Jimi lernte tanzen bei Popstars-Tanzcoach Detlef D! Soost in Berlin.

Das Bedeutendste am erfolgreichen Ochsenknecht-Clan ist allerdings das Eigenmanagement der Familie. Vater Uwe ist Jimis Berater, Mutter Natascha kümmert sich ums Management, Onkel Ingo ist Jimis "Haus- und Hoffotograf" und schrieb auch das Drehbuch zum Clip "All Alone". Seine Familie halte ihn am Boden - da könne er gar nicht abheben, betont Jimi Blue immer wieder öffentlich. Und wirkt in Interviews tatsächlich überraschend allürenfrei - so weit man das von einen 16-Jährigen überhaupt behaupten kann. Erfolgsdruck und Vermarktungs-Vitamin-B gebe es nicht, betont er. Und dass die kleine Schwester Cheyenne Savannah im Clip zu "Hey Jimi" mitspielt? Nur weil sie es selbst so gerne wollte, sagt Jimi. Außerdem - und darauf legt Uwe Ochsenknecht in "Behind the Scenes wert" - hätten Jimi und Wilson wie jeder andere auch das Casting zu den "Wilden Kerlen" durchlaufen.

Dass die Jungs also aus einer offenbar gut funktionierenden Familie stammen, macht es leichter, sie nicht nur als Vermarktungsobjekte zu sehen. Dass sie trotzdem so wirken, können auch Beteuerungen aus dem engsten Familienkreis nicht ändern. Auf den ersten Blick aber zieht die Masche mit den selbstinitiativen Kindern nur zu gut. Die Brüder tingeln durch Talk-Shows und Zeitschriften-Redaktionen.

Dass zwischen den Brüdern kein Konkurrenzkampf herrscht, gehört ebenfalls zum Prinzip Ochsenknecht. So lassen sich gleich zwei Altersgruppen auf einmal ködern: Siebtklässlerinnen fliegen auf Jimi Blue, von der Neunten an beginnt der fließende Wechsel zu Wilson. Seine Single "NYC" lässt das Lebensgefühl der späten 80er Jahre aufleben: Verrockte Oasis-Konzerte, Spaß ohne Erfolgsdrang und ein nicht enden wollender Sommer - das ist und bleibt Jugendkultur-kompatibel.

Geheimnisvolles Großstadtkind

Der musikalische Erfolg und der zunehmende Bekanntheitsgrad wirkt sich wiederum auf die Filme aus. Gerade kam "Sommer" in die Kinos, ein Jugendstrandabenteuer, in dem Jimi Blue ein geheimnisvolles Großstadtkind am Nordseestrand spielt. Mit einem Schnitt von mehr als 550 Zuschauern pro Kopie in 407 Kinos erzielte der Film das stärkste Ergebnis der Kino Top Ten. Auch "DWK5" hatte sich im Februar mit 450.000 Besuchern am Start-Wochenende direkt an die Spitze der Kinocharts platziert.

Es ist eine äußerst intelligente Aneinanderreihung von kleinen Karriereschritten, die die Ochsenknecht-Brüder in ihrer Eigenvermarktung unternehmen. Anfang des Jahres war Jimi Blue für einen Echo in der Kategorie "Erfolgreichster Newcomer National" nominiert. Jetzt erreichte "Mission Blue" Goldstatus. Vergangene Woche bekam er den "New Faces Award" für seine Rolle "Die wilden Kerle".

Und soviel steht fest: Man kann von Jimi und Wilson halten, was man möchte - sie geben dem Showbusiness, der Musikindustrie und den Fans aber offenbar genau das, was sie suchen. Ob sie damit die Welt erobern werden, wie sie es wünschen? Nur, wenn ihnen ihr fehlendes Profil nicht eines Tages zum Manko wird.

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