Es gibt Berufe, wo die Ehefrau immer noch die wackere Frau an seiner Seite ist, ob sie will oder nicht. Eine ist die Botschaftergattin, eine andere die Präsidentengattin, weniger bekannt ist das Schicksal der Journalistengattin. Zumeist ist letztere mit einem Journalisten verheiratet, der eine Art Nine-to-five-Job als Redakteur hat. Zu den bekanntesten Journalisten indes zählen die TV-Korrespondenten in fernen Ländern.
Im seltenen Glücksfall ist die Gattin auch Journalistin, und ihr Arbeitgeber versetzt sie an den Arbeitsort ihres Ehemanns. Alle anderen, die mitgehen, müssen zumeist ihren Beruf ruhen lassen. Zwar kann man theoretisch überall Apothekerin, Ärztin, Lehrerin, Bibliothekarin oder Laborantin sein, praktisch aber müsste man alle vier, fünf Jahre in einem neuen Land eine neue Arbeitserlaubnis bekommen und eine neue Sprache fließend sprechen.
Erste Berührung mit dem Auslandsjournalismus
Ilse Kienzle ist so eine Frau. Sie ist die Frau an der Seite des TV-Journalisten Ulrich Kienzle, nunmehr seit 48 Jahren. Sie war Lehrerin. Früh schon wurde sie durch den Tod eines befreundeten Kollegen ihres Mannes, erschossen im Jemen, auf die möglichen Gefahren des Korrespondentenberufs gestoßen. Sie versuchte die Sorgen zu verdrängen, bemerkte aber: "Ulis Beruf begann mehr und mehr mein Leben zu bestimmen."
Zunächst war diese Einsicht auf Deutschland beschränkt, Köln und Stuttgart, wo Kienzle ein gern provozierender Journalist war, und seine Gattin die wenig berechenbaren Tageszeiten eines leitenden Fernsehjournalisten kennen lernte. Doch nach einer ersten Berührung mit dem Auslandsjournalismus - Kienzle berichtete aus Kairo während des Arabisch-Israelischen Kriegs von 1973 - wurde er Nahostkorrespondent mit Sitz in Beirut.
Die RAF ließ im Libanon Mitglieder zu Terroristen ausbilden, und Kienzle bekam ein Angebot vom BND, das er empört ablehnte. Spätestens da dämmerte es der Ehefrau, dass die Reise nicht nur eine schöne Welt- und Bildungsreise würde. Beirut war nicht Stuttgart, und die Frau, die stets berufstätig gewesen war, erlebte nun, wie ihr Mann tagelang unterwegs im gesamten Nahen Osten ist, und sie allein ohne Familie und Beruf in der Fremde sitzt. Der Zufall kam ihr zu Hilfe: Die Deutsche Schule brauchte eine neue Deutschlehrerin.
Ilse Kienzle zeigt anschaulich, wie sich der libanesische Bürgerkrieg sehr langsam entwickelte und immer mörderischer wurde. Sie erzählt, wie einige Mitarbeiter unfähig waren zu arbeiten und abreisten. Sie beschreibt Kameraleute, die wie neuzeitliche Musketiere ihr Geschäft fast stoisch ausübten. "Für Uli war eine Rückkehr ausgeschlossen - er war Journalist, hier spielten sich umwälzende politische Ereignisse ab." Und sie? "Für mich kam eine Rückkehr nicht infrage, weil sie für Uli nicht infrage kam."
Stand by your man. Schließlich wurden die Deutsche Schule, dann das Goethe-Institut geschlossen, und die Ehefrau übernahm nun die Buchhaltung des ARD-Büros und bisweilen todesmutige Fahrten in andere Stadtviertel. Der Mann war dauernd auf Himmelfahrtskommandos unterwegs - "wir sind nicht hierher gekommen, um zu helfen, wir sind hier, um zu berichten" - lautet seine Devise.
Ilse Kienzle entwickelte sich zur Kettenraucherin, andere hielten den Krieg nur mit dem Roten Libanesen aus, und Alkohol wurde für viele der ständige Begleiter. Hemingway lässt grüßen. Freilich fehlt den Schilderungen der Frau des Journalisten so ganz der Macho-Bombast, das macht ihren Bericht so eindringlich. Irgendwann schnitt sie sich aus Verzweiflung die langen Haare ab, weil sie dachte, ihr Mann sei tot.
"Wir hatten die Grenzen des Erträglichen erreicht. Wir waren am Ende unserer Kräfte", notiert sie knapp. Eine weitere Station an der Seite ihres Mannes wurde Südafrika. Der Befreiungskampf in Rhodesien, die Apartheid und noch mehr Krieg bestimmten ihren Alltag.
Kriegserinnerungen auch in Deutschland
Schließlich wird Kienzle zum Chefredakteur von Radio Bremen berufen, und das Ehepaar ist bereit, nach Deutschland zurück zu kehren. Sie arbeitet in Norddeutschland wieder als Lehrerin, doch die Kriegserinnerungen lassen sie nicht los. Sie spart die Eheprobleme, die ein solch unsicheres Leben mit sich bringen, nicht aus, auch nicht ihre eigene psychische Verfassung. Sie sucht professionelle Hilfe und findet wieder zu eigener Gesundheit, Fröhlichkeit und Arbeit.
Sie ist immer noch die Frau des Journalisten, immer noch die Frau an Kienzles Seite. "Ich war nie eine Feministin" schreibt sie, aber sie habe "so gut es eben ging" ein selbstbestimmtes und vor allem spannendes Leben geführt. Weinerlich ist ihr Bericht also kaum zu nennen. Frau eines Auslandsjournalisten zu sein, ist eben nichts für Angsthasen.
Die Journalistin Christine Brinck ist mit dem Zeit -Herausgeber Josef Joffe verheiratet.