"Die Entdeckung der Unendlichkeit" im Kino:Der Mann, der lächelt

Eddie Redmayne als Stephen Hawking in "Die Entdeckung der Unendlichkeit".

Hier und gleichzeitig in Welten und Galaxien weit entfernt: Mit seinem Lächeln macht Eddie Redmayne Stephen Hawking in "Die Entdeckung der Unendlichkeit" zu einer Lewis-Carroll-Figur.

(Foto: dpa)

Eine Theorie für alles und jeden. James Marsh hat das Leben des Universaldenkers und Balancekünstlers Stephen Hawking verfilmt - und Eddie Redmayne verkörpert ihn brillant.

Von Fritz Göttler

Irgendwann ist die junge Frau dann doch erschöpft. Sie liebt ihren Mann aufrichtig, den Professor, und er liebt sie, sie haben ein gediegenes bürgerliches Heim und liebe Kinder, aber die körperliche Verfassung des Professors verlangt besondere, aufopfernde Pflege. Der Astrophysiker und Unendlichkeitsdenker Stephen Hawking hat Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), das heißt, seine Beweglichkeit, sein Handlungsspielraum verringert sich mit erschreckender Schnelligkeit. Als er die Diagnose erhielt - zwei Jahre verbleibende Lebenszeit, erklärt man ihm, maximal -, schottete er sich von der Welt ab.

Aber die junge Jane bestand auf ihrer Liebe, sie haben geheiratet, und er hat Karriere gemacht in Cambridge. Dreißig Jahre hat die Ehe gehalten. Bald musste er im Rollstuhl fahren, inzwischen kann er nur noch ein Augenlid bewegen und sich mit einem Sprachcomputer mitteilen. Ein Uni-Popstar, ein leidenschaftlicher Wagnerianer. Irgendwann ist seine Frau Jane - nach deren Erinnerungen der Film entstand - dann ziemlich erschöpft und ein wenig ratlos, und als sie sich mit ihrer Mutter darüber austauscht, sagt die: Warum gehst du nicht einmal in der Woche singen im Chor? Das sei so ziemlich das Britischste, was sie jemals gehört habe, kommentiert Jane.

So ist also diese "Entdeckung der Unendlichkeit" durchaus auch eine sehr britische Liebes- und Ehekomödie. Carry on Hawking . . . Der wilde (Radler-)Taumel der Jugend, die Entdeckung der Liebe, das Werben des jungen Studenten, die ersten körperlichen Fehlgriffe, schließlich das - immer noch - normale Familienleben. Eine kleine Schrecksekunde, als Jane sehr spät, als Stephen schon sehr unbeweglich ist, mit einem dritten Kind schwanger wird. Da ist sie dem Vorschlag der Mutter gefolgt, singt im Kirchenchor, und der junge Chorleiter hilft vor lauter Begeisterung im Hause Hawking aus, kümmert sich um Stephen, das ist von schöner Naivität.

Anthony McCarten, der das Drehbuch schrieb, und James Marsh, der Regie führte, lieben Helden am Abgrund. McCarten schrieb den Roman "Superhero", über einen leukämiekranken Jungen, der mit seinen Eltern nicht klarkommt und noch nie etwas mit einem Mädchen hatte. James Marsh erzählte von Philippe Petit in seinem Dokfilm "Man on Wire", der, ohne Genehmigung, eines Morgens auf einem Drahtseil zwischen den Türmen des World Trade Centers hin- und herbalancierte.

Menschen mit Behinderungen zu spielen, gehört zu den bevorzugten Aufgaben junger Akteure (in New York verkörpert Bradley Cooper gerade auf der Bühne den Elephant Man, dessen Geschichte einst David Lynch verfilmte). Es sind langwierige, strapaziöse Projekte, die monatelanges Training erfordern.

Eddie Redmayne hat natürlich auch Stephen Hawking selbst getroffen, als er sich darauf vorbereitete, ihn zu spielen, und natürlich wird er inzwischen als Kandidat für diverse Schauspielerpreise und für einen Oscar gehandelt. Sein Stephen ist ein sympathischer Balancekünstler, er strahlt enorme Vitalität aus, die Augen blitzen, und im Gesicht hat er, auch wenn er von seinen schwarzen Löchern doziert, ein jugendliches Lachen. Noch stärker freilich behält man die Frauen um Stephen Hawking in Erinnerung, Felicity Jones und Maxine Peake, die unkompliziert und fürsorglich sind. Und sexy.

Das Lächeln ist, in seiner Maskenhaftigkeit, die unergründlichste von allen Gesichtsregungen, es macht Stephen Hawking zu einer Lewis-Carroll-Figur. Einer, der gleichzeitig hier und in Welten und Galaxien weit entfernt lebt.

A Theory of Everything, GB 2014 - Regie: James Marsh. Buch: Anthony McCarten. Kamera: Benoît Delhomme. Schnitt: Jinx Godfrey. Mit: Eddie Redmayne, Felicity Jones, Charlie Cox, Emily Watson, Simon McBurney, David Thewlis, Christian McKay. Universal, 123 Minuten.

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