Die CDs der Woche - Popkolumne:Unerwarteter Nackenkuss

Die Fans werden jubeln: Nach vierjähriger Schaffenspause kündigt Prince gleich zwei neue Platten an, als Solokünstler und mit seiner Band 3rd Eye Girl. Die ersten Singles befördern Prince ins Internetzeitalter. Die Popkolumne.

Von Annett Scheffel

Madonna

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(Foto: REUTERS)

Und KA-BOOM! Gleich zweimal dröhnten in dieser Woche die Ankündigungen eines neuen Albums mächtig in den Ohren. Zuerst: Madonna. Die Queen of Pop höchstpersönlich soll es, wenn man den Gerüchten glaubt - also der britischen Boulevardzeitung The Sun - auf ihrem dreizehnten Studioalbum ordentlich krachen lassen. Es soll Schimpftiraden über Ex-Ehemann Guy Ritchie geben ("I let you in my kingdom/ you helped yourself with everything") und BÄM! - Lady Gaga bekommt auch was ab: "You're a copycat / Where is my royalty?". Madame Gaga sei eine Trittbrettfahrerin und zahle keine Tantiemen, so angeblich die Königin im neuen Song "Two Steps Behind". Wir freuen uns jetzt schon auf die kommenden Popschlachten mit der Thronfolgerin. Das Säbelrasseln der wütenden alten Königin könnte den Herbst in jedem Fall um einiges amüsanter machen.

Prince

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(Foto: Reuters)

Den ganz großen Wurf aber landet eine andere Legende der Achtziger: Prince kündigt für Ende September gleich zwei neue Platten an: "Art Official Age" als Solokünstler, "PLECTRUMELECTRUM" zusammen mit seiner Band 3rd Eye Girl. Die ersten beiden Singles der Soloplatte sind nicht nur musikalisch eindrucksvoll, sondern befördern Prince punktgenau ins Internetzeitalter. "U Know" ist ein R'n'B-Slowjam, wie er im Lehrbuch steht - sehr klassisch futuristisch. Dr. Dre und Justin Timberlake hätten so etwas zusammen aufnehmen können. Noch viel besser allerdings ist "Clouds": samtige, ätherische Grooves mit psychedelischem Einschlag und hitzigem Prince-Falsettgesang. Das will man auf einer Playlist sofort mit Blood Orange oder Kindness paaren. Als digitale Diva schwebt er da also in spirituellen virtuellen Sphären. Prince wäre aber nicht Prince, der alte Verführungsschamane, wäre seine Wolke nicht eigentlich für die Liebenden geschaffen: "You should never underestimate the power of a kiss on the neck / When she doesn't expect", schnurrt er. Unterschätze niemals die Macht eines unerwarteten Nackenkusses. Der Mann weiß, wovon er redet.

Interpol

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(Foto: N/A)

Währenddessen ist auch Paul Banks von Interpol - einst womöglich der mürrischste unter den mürrischen Indiepop-Sängern und New Yorks Prinz der Trübseligkeit - "ein klein wenig munterer" geworden, wie er einer Reporterin des Guardian verriet. Schuld daran sei wohl auch der Rapper und Schachkumpel RZA. Hoppla! Ungewohnt heiter klingt das für all die, die sich noch an den Miesepeter Banks erinnern. An den todernsten Nihilisten , der in tränentiefen Indierock-Hymnen nachtschwarze Bewusstseinszustände besang. Anders gesagt: Muss man sich Sorgen machen um die Musik der Band, die doch genau von all der Dunkelheit lebte? Nein. Interpol machen auf ihrem neuen Album "El Pintor"(Soft Limit) endlich entschlossen weiter. So schwebend souverän jedenfalls hat ihre Musik seit "Antics" (2004) nicht geklungen. Also laut, dunkel melodisch und entschleunigt, aber nie träge. Musik wie eine schlechte Angewohnheit, die man vermisst hat. Schöner war ein Rückfall lange nicht mehr.

Karen O

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(Foto: N/A)

Eine alte Bekannte Interpols aus New Yorks packt die Sache zehn Jahre nach dem Indie-Hype ganz anders an, indem sie - alles anders macht: Karen O, eigentlich Sängerin der Krawall-Postpunker Yeah Yeah Yeahs und angesehene Rampensau veröffentlicht mit "Crush Songs" (Cult) in dieser Woche ihre erste Soloplatte und klingt darauf kein bisschen so, wie man es erwartet. Nämlich: flüsterleise, zart, verletzlich. Die fünfzehn Lo-Fi-Balladen - es sind Demos und Songfragmente, alle zu Hause aufgenommen, die meisten nicht länger als zwei Minuten - fügen sich zu einer Art Konzeptalbum über die seltsamen Qualen der Liebe, über das Ver- und Entlieben. Und plötzlich denkt man: Vielleicht ist der Sound anders, der Ton aber ist es nicht. Irgendwo zwischen verführerisch und abgestumpft liegt der Zauber der Karen O in einer fiebrig verschwitzten Außerweltlichkeit. Und was haben wir Normalsterblichen davon? Das letzte Wort über die Liebe: "Love is soft / Love's a fucking bitch."

Miley Cyrus

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(Foto: Kevin Winter/AFP)

Und weil man von Popstars ja nie genug lernen kann, muss auch noch das größenwahnsinnigste Twitter-#BADGIRLS-Badgirl zu Wort kommen: Miley Cyrus. Die Prinzessin des Trash-Feminismus 3.0 sprach diese Woche mit dem britischen Musikmagazin NME mal wieder über Sexismus im Popgeschäft und landete darüber - genau - bei Elvis: "Elvis war der erste Twerker. Er war der pure Sex, aber niemand hätte ihn je als Schlampe beschimpft." Im australischen Fernsehen erzählte sie dann zwei Tage später, dass es dem Gehirn weit mehr schade, seinen Namen zu googeln, als Marihuana zu rauchen. Nimm das, Amerika! Der King, ein paar Joints und dann auch noch Google. In weniger als drei Tagen! So formvollendete Zeitdiagnostik sollte Madonna zu denken geben. Als Nächstes kann sie sich ja Miley vorknöpfen.

© SZ vom 03.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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