Süddeutsche Zeitung

Die CDs der Woche - Popkolumne:Traurigschöne Welt

Lesezeit: 3 min

Aus dem Kerl soll einer schlau werden: Mark Oliver Everett von den Eels vertont mal wieder sehr gemischte Gefühle. Wer es etwas eindeutiger mag, bekommt von Oberkauz Bonnie "Prince" Billy einen Soundtrack, zu dem Trucker heiraten können. Das und mehr - zum Lesen und Hören in unserer Popkolumne.

Von Max Fellmann

Eels

"Good thing that I've always been so accident prone" - Gut, dass er so unfallgefährdet sei, singt Eels-Kopf Mark Oliver Everett zu zarter Gitarrenbegleitung, guter Gag, aber makaber: Seit das erste Mal über ihn und seinen feinen Indie-Pop geschrieben wurde, in den Neunzigerjahren, geht's immer auch um die tragischen Geschichten seiner Familie (Selbstmorde, Krankheiten, Depressionen).

Beim neuen Album "Wonderful, Glorious" (E Works/Cooperative Music) hat sich Everett ausnahmsweise von seinen Mitmusikern helfen lassen, jeder durfte Ideen beisteuern, alles erlaubt: Indie-Gitarren, Plastikfunk, Elektrospielereien, naives Gerocke. Früher hat Everett packendere Ohrwürmer hingekriegt, aber egal, wer seine traurigschöne Welt mag, wird sich hier wohlfühlen. Hübsch übrigens: Sonst singt er heiter über Trauriges, aber in "You're My Friend" erklärt er "You're my friend, from the day we met 'til the bitter end" - und singt das, als wär's echt unerfreulich. Aus dem Kerl soll einer schlau werden.

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Es gibt Menschen, die fangen bei den Worten "Wien", "Kaffeehaus" und "Lounge Music" so zu gähnen an, dass ihnen die Tränen kommen. Und klar, was Richard Dorfmeister seit 20 Jahren so macht, mal mit Peter Kruder, mal mit Rupert Huber unter dem Namen Tosca, das ist schon manchmal ein bisschen Cappuccino. Aber bitte nicht vergessen: Tosca haben wirklich große Alben gemacht ("Opera", 1997, "Suzuki", 2000), seitdem erweitern sie ihr Vokabular ständig, ihre Musik wird ätherischer, spiritueller, spannt den Bogen vom Club zur modernen E-Musik.

Passt gut, dass die zwei sie gern in Kirchen aufführen. Das neue Album "Odeon" (K7!) vereint früher und heute, so etwas wie "What If", mit Hippie-Gitarre und Soulgesang, hätte schon 1996 auf eine Lounge-Compilation gepasst. Klangmalereien dagegen wie "Zur guten Ambience" (Titel des Jahres, oder?), ohne Beat, ohne klassische Struktur, wollen zehn, zwanzig, dreißig Mal gehört werden und entwickeln jedes Mal neue Spannung.

Schwierig nur die Stücke mit Gesang, "Jay Jay" etwa: Die Gastsänger können mit der Musik nicht mithalten. Instrumental sind Tosca weiterhin etwas ziemlich besonderes - mit Gesang wird das Besondere eher gewöhnlich. Schade.

Nur weil man Fans hat, die Paul McCartney, Elton John und Elvis Costello heißen, muss man ja nicht gleich durchdrehen. Der Kanadier Ron Sexsmith nimmt Platten auf, die sich kläglich verkaufen, und freut sich, wenn seine berühmten Fans ab und zu ein Lied nachspielen. Sexsmiths Geschäft ist der klassisch simple Popsong mit viel Folk-Anteil. Viertaktige Akkordfolgen, Strophe, Refrain, im Mittelteil ein bisschen Pathos.

Seine Musik ist erkennbar von den Leuten inspiriert, die ihn jetzt so bewundern. Vielleicht lieben sie ja an ihm vor allem: sich selbst. Leider ist er aber nicht der mitreißendste Interpret seiner Lieder. Durchschnittliche Stimme, bescheidenes Charisma, in den Fünfzigerjahren hätte so einer als Songwriter die Hits für andere geschrieben. Und so sind die 12 Stücke auf "Forever Endeavour" (Cooking Vinyl) vielleicht tatsächlich eher Vorschläge.

Den Country-Soul-Schmachtfetzen "Blind Eye" sollte Elvis Costello noch heute Nachmittag aufnehmen, und bei "Back Of My Hand" wird sich McCartney fragen, ob er das nicht vielleicht selbst geschrieben hat, ungefähr 1965.

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Der Oberkauz Will Oldham nennt sich seit Jahren Bonnie "Prince" Billy, er gilt als einer der Erfinder des sogenannte Alternative Country, seine Musik hat im weitesten Sinne mit klassischem Country zu tun, atmet aber den Geist des Indie-Pop. Das Problem bei jemandem mit so viel Hipster-Credibility ist nur: Er weiß irgendwann, dass man ihm alles durchgehen lässt.

Mit dem Album "What The Brothers Sang" (Domino) ist eine Grenze erreicht. Oldham singt mit der Sängerin Dawn McCarthy Stücke der Everly Brothers, ungebrochen, geradeaus. Und kitschig. Country ja, aber alternative? Das ist schon alles hübsch, die Everly Brothers wussten, was eine gute Melodie ist, die Songs sind geschmackvoll arrangiert, zu diesem Soundtrack können Trucker heiraten. Aber richtig spannend ist es leider nicht.

Fortlaufende Popkolumne der SZ:

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Quelle:
SZ vom 13.02.2013
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