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Die CDs der Woche - Popkolumne:Supersupersuperstars

Diese Woche gleich drei extrem erfolgreiche Sängerinnen: Was die Megastars Rihanna, Alicia Keys und Christina Aguilera der Popwelt Neues beschert haben, lesen und hören Sie in unserer aktuellen Popkolumne in Kooperation mit Spotify. Von üblem Mehrzweckhallen-Rave bis zur alten Motown-Schule.

Von Max Fellmann

Diese Woche gleich drei Sängerinnen der Kategorie Supersupersuperstar. Als erste: Rihanna. Das Time Magazine führt sie als eine der "100 einflussreichsten Persönlichkeiten". Aber was heißt das eigentlich? Auch wenn junge Mädchen ihren Stil und ihre Frisuren nachahmen - bei ihrer Musik, also dem, was sie berühmt gemacht hat, hat Rihanna eher wenig zu sagen. Da bestimmen Produzenten und Manager jeden Ton.

Für ihr neues Album "Unapologetic" (Def Jam/Universal) hören die Hintermänner ziemlich clever die Signale der Clubkultur und machen daraus radiotaugliche Hits. Der Einstieg mit "Phresh Out The Runway" wäre eigentlich eher scheußlich, Rave-Synthis, Billig-Drumbox, aber dann kommt immer rechtzeitig die richtige Dosis Melodie ins Spiel. Spannend sind die Momente, in denen alles fast zerfällt, in denen die Beats aussetzen und die Keyboardfiguren in brüchiges Geplucker zerfasern. Besonders schön vorgeführt im Song "Numb" (mit Gastrapper Eminem): verfremdete Stimmen, Rückwärtsdrehungen, Geräusche an der Grenze zum Experiment (Vorsicht auf dem Schulweg: Mit Kopfhörern kann einem hier schwindlig werden), und dann mündet doch wieder alles in einen wuchtigen 4/4-Beat.

Genauso bei "Right Now", produziert von David Guetta, eigentlich übler Mehrzweckhallen-Rave, aber dann überdrehen die Synthies so, dass man immer wieder erfreut den Kopf schüttelt und denkt: Ach was, das geht noch als Mainstream-Pop durch? Manchmal anstrengend, meistens nicht gerade subtil - aber immer auf der Höhe der Zeit. Man müsste sich wohl nur mit ein paar Wodka-Red Bull erden.

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Auch Christina Aguilera verlässt sich ganz auf ihre Produzenten. Bei ihrem neuen Album "Lotus" (Sony) haben Spitzenkräfte wie der Schwede Max Martin die Direktion übernommen und eine Art Best-of zeitgenössischer Pop-Produktionstechniken vorgelegt. In "Army Of Me" gibt es gleich am Anfang den gängigen Trick, den Beat aussetzen zu lassen und dann über eine Synthiefläche eine pathetische Gesangslinie zu setzen, die klingt, als predige jemand vom Berg herab. Wenn dann der Rhythmus wieder einsetzt (ein ziemlich billiger Autoscooterbeat), ist es, als bekomme das Tanzen eine zusätzliche Ebene: Komm, los, wir erobern die Welt!

Alles sehr gut gemacht, schade ist nur, dass die Produzenten auf Nummer sicher gehen und jede Ecke des Mainstreams abdecken wollen: "Make The World Move" nimmt mit Klimperklavier den Neo-Soul-Einfluss der Winehouse-Ära auf, "Your Body" jagt mit Bratz-Bässen und Juhu-Refrain direkt hinter Katy Perry her, "Let There Be Love'' spielt mit sirrenden Synthie-Akkorden in derselben Großraumdisco wie "Euphoria", der Sieg-Song des letzten Eurovision-Song-Contest. Volkshochschulkurs Pop: Wer sich im Schnelldurchgang über aktuelle Sounds informieren will, bekommt hier alles Nötige geboten. Aber kurz darauf hat man das meiste auch schon wieder vergessen.

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Der Sonderfall. Alicia Keys ist auch ohne prominente Produzenten eine großartige Musikerin, sie spielt hervorragend Klavier, entspricht am ehesten dieser harten Motown-Soul-Schule, in der sich jeder quälen muss, bis er der perfekte Entertainer ist. Aber bei Alicia Keys gibt's leider dieses Musterschüler-Problem. Sie singt phantastische Koloraturen, aber es ist alles immer arg perfekt, arg sauber.

Man freut sich, wenn ihr im donnernden Refrain des Stücks "Brand New Me" die Stimme ein wenig bricht. Und interessant wird's immer, wenn sie ihre Soulwucht mit motzigem Hip-Hop zusammenwirft, zum Beispiel vor drei Jahren bei Jay-Zs Hit "Empire State Of Mind". Hier soll das jetzt "Girl On Fire" sein, ein Song mit der Radaurapperin Nicki Minaj. Leider wummert der eher uninspiriert dahin, über Trommelgeböller singt Keys ziellose Melodiebögen, dazu raunt Minaj ein bisschen rum. Zur Mädels-unter-sich-Hymne könnte das womöglich nicht reichen (aber bitte, der männliche Autor kann sich da auch gut irren - bin in dem Fall nur Zaungast).

Spaß macht "Tears Always Win", ein altmodisches Stück Soul mit warmer Orgel, eine Erinnerung an die ganz alte Motown-Schule. Am schönsten ist "101", das letzte Lied: Keys singt allein zum Klavier, eine Ballade mit klarer Melodieführung, ein kurzer Moment der Intimität. Aber auf den letzten Metern kommt dann doch noch der Gospelalarm, donnernde Trommeln, heftige Streicher, jede Menge "Halleluja", alles viel zu viel. Tja, Musterschülerin.

Fortlaufende Popkolumne der SZ.

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Quelle:
SZ vom 28.11.2012/jufw/rus
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