CDs der Woche - Popkolumne:Sie können es nicht lassen

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Vergangenheit abgeschüttelt: Dave Grohl von den Foo Fighters.

(Foto: AFP)

Dave Grohl und seine Foo Fighters müssen niemandem mehr etwas beweisen. Auf "Sonic Highways" üben sie sich daher in Geschichtsaufbereitung in Rocksongform. Die Musik kann da nicht immer mithalten.

Von Max Fellmann

Foo Fighters

Alexander der Große soll geweint haben, als ihm klar wurde, dass es für ihn nichts mehr zu erobern gibt. Dave Grohl ist kein Typ, der zu Tränen neigt, aber irgendetwas treibt ihn weiter, immer weiter, irgendetwas scheint er nach all seinen Eroberungen immer noch zu suchen. Dass es nach Kurt Cobains Tod und dem Ende von Nirvana ausgerechnet der Schlagzeuger schafft, mit seiner nächsten Band, den Foo Fighters, die Vergangenheit abzuschütteln und ein echter Star in his own right zu werden, das hätte damals niemand für möglich gehalten.

Heute füllen die Foo Fighters Fußballstadien, ihre Alben verkaufen sich millionenfach, die halbe Welt liegt Grohl zu Füßen. Und was macht er? Schlägt einen Haken und wechselt plötzlich den Beruf. Erst dreht er den Film "Sound City", eine liebevolle Dokumentation über ein Tonstudio. Jetzt geht er eine neuartige Verknüpfung von TV-Serie, Ethnologie und Rockmusik an: "Sonic Highways" (Sony Music) ist nicht nur der Titel des neuen Foo-Fighters-Albums, sondern auch einer achtteiligen Fernsehproduktion, für die Grohl durch pophistorisch bedeutende Städte der USA gereist ist.

Überall hat er lokale Helden interviewt, um etwas über die Musikgeschichte der Stadt, ihren speziellen Vibe, zu erfahren - wobei "lokale Helden" in Amerika natürlich bedeutet: Weltstars. Musiker von Kiss, Cheap Trick, Fugazi, den Eagles. Manche von ihnen spielen auch auf dem Album mit. Und als wäre das nicht genug, hat Grohl die Texte der Songs als O-Ton-Collagen aus den geführten Interviews konstruiert. Das Konzept ist verblüffend einleuchtend: Geschichtsaufbereitung in Rocksongform. Die Musik kann da nicht immer mithalten, vieles auf "Sonic Highways" ist eher handelsüblicher Breitwandrock, ein bisschen noch im Punk verankert, aber über weite Strecken fast schon Springsteen-Gebiet.

CDs der Woche - Popkolumne: Oft eher handelsüblicher Breitwandrock, gelingt Grohl trotzdem eine zeitgemäße Ethnologie der Rockgeschichte.

Oft eher handelsüblicher Breitwandrock, gelingt Grohl trotzdem eine zeitgemäße Ethnologie der Rockgeschichte.

Wo zwei Gitarren genügen würden, sind lieber mal zehn übereinander geschichtet, und wenn ein Refrain einigermaßen greifbar ist, wird er sofort drei Minuten lang gespielt. Aber um die Qualität der Musik allein geht es hier ja längst nicht mehr. Grohl muss niemandem etwas beweisen, er arbeitet an Größerem, am "big picture" - und das ist dann tatsächlich nicht weniger als eine zeitgemäße Ethnologie der Rockgeschichte. Grohl will etwas schaffen, was möglichst viele Epochen und Schichten der amerikanischen Rockmusik aufgreift, verwebt und nacherzählt. Er will mehr als nur Erfolg, er will forschen, Wurzeln sichtbar machen.

Man sollte sich nicht wundern, wenn der Mann irgendwann anfängt, eigene Musikfestivals auf die Beine zu stellen oder Pop-Ausstellungen zu kuratieren.

Sie sollten es lieber lassen

Queen

Andere machen nach dem Tod ihres Sängers weniger würdevoll weiter. Was die Band Queen seit dem Tod von Freddie Mercury veranstaltet, grenzt ans Schmerzhafte. Die verbliebenen beiden Band-Mitglieder, Gitarrist Brian May und Drummer Roger Taylor, veröffentlichen halb gares Material, das bei früheren Aufnahmen übrig geblieben ist, sie gehen mit wechselnden Sängern auf Tournee und klingen dabei wie eine ambitionierte Queen-Coverband.

CDs der Woche - Popkolumne: Drei mehr oder weniger neue Songs, der Rest ist altes oder halb gares Material: Die Zusammenstellung dieses Albums macht ratlos.

Drei mehr oder weniger neue Songs, der Rest ist altes oder halb gares Material: Die Zusammenstellung dieses Albums macht ratlos.

Aktuell singt ein junger Mann namens Adam Lambert mit, der in den USA als Teilnehmer einer Casting-Show bekannt wurde. Oh je. Jetzt probieren sie wiederum etwas ganz anderes: Max und Taylor veröffentlichen das Album "Queen Forever" (Universal), das ausnahmsweise nicht die besten Songs ihrer Karriere versammelt, sondern, tja, ungefähr die zweit- und drittbesten. Ist zwar schön, dass da vergessene Perlen wie Roger Taylors Sommernachmittagsseufzer "Drowse" gewürdigt werden, aber die Zusammenstellung macht ratlos: Wer "We Are The Champions" will, kauft die Greatest Hits, wer Fan ist, hat die Songs dieses Albums längst (abgesehen von ein paar Alternative Takes).

Was soll das also alles? Im Grunde dient das Unternehmen nur als Vehikel, um drei mehr oder weniger neue Songs unters Volk zu bringen: "Love Kills", Mercurys Solo-Hit von 1985, hier in einer posthum gebastelten Balladenversion; "Let Me In Your Heart Again", Anfang der Achtzigerjahre nicht fertig aufgenommen, jetzt ergänzt; vor allem aber "There Must Be More To Life Than This", einen Mercury-Song aus derselben Zeit, bei dem Michael Jackson mitsang. Das Lied schaffte es in dieser Duett-Version nie in die Läden, die Plattenfirma kündigt es jetzt als Sensation an, muss sie ja, aber ein Werk für die Ewigkeit ist es nicht unbedingt.

Eine locker gedrehte Schmalznudel mit Musical-Harmonik, wie sie Mercury jederzeit im Halbschlaf raushauen konnte. Michael Jackson kommt in der Mitte für eine Strophe ins Spiel, kaum mehr als eine kurze Irritation. Tatsächlich war Jackson nie mit der Band im Studio, sondern nahm seinen Part weit weg allein auf. Das ist bei Superstar-Kooperationen zwar ein gängiges Verfahren - führt aber zu einem eher nüchternen Ergebnis. Kein Vergleich zur viel berühmteren Queen-Kooperation "Under Pressure", bei der sich Freddie Mercury und David Bowie einst gegenseitig in Wallung sangen.

Es wäre schön, wenn May und Taylor es einfach mal gut sein lassen könnten.

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