Die CDs der Woche - Popkolumne:Queen und King

Stimmen aus dem Totenreich: In "There Must Be More To Life Than This" singen Freddie Mercury und Michael Jackson im Duett. Das klingt so pathetisch und ausladend, wie man es sich vorstellt. Die Popkolumne.

Von Annett Scheffel

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SBTRKT: "Wonder Where We Land"

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Quelle: Young Turks

Die Platte der Woche hat den poetischen Namen "Wonder Where We Land". Wo wir wohl einmal landen werden? Ja, das fragen wir uns auch. Um verträumte Sinnsuche geht es auf dem zweiten Albums von Produzent SBTRKT (gesprochen: Subtract) aber nicht. Okay, vielleicht um postpostmoderne verträumte Sinnsuche, auf der auf der Höhe der zeitgenössischen britischen Bassmusik (für deren fabelhafte Vielgestaltigkeit bezeichnenderweise immer noch niemand ein besseres Wort gefunden hat). Weil: Der Brite Aaron Jerome, der hinter dem vertrackten Namen SBTRKT steckt, zeigt hier, was mit Elektronik möglich ist: nämlich alles! Jeder einzelne Track dieses prallen Soundhybriden führt uns in eine andere Richtung: von prickelnder House-Musik zu Neo-Soul zu R'n'B zu kantig, verstolpertem Hip-Hop und zurück zu dröhnendem Rave-Fragmenten. Das liegt wohl auch an den vielen Gästen: Betörend wie in einem Massive-Attack-Song führt Sängerin Caroline Polachek (Chairlift) ihren dunkel-schimmernden Balztanz auf und Vampire Weekends Ezra Koenig stolziert durch die Wortspielereien des chaotisch-rumpelnden "New Dorp, New York", Samphas Soulgesang begleitet das Titelstück und Rapper A$AP Ferg die Hallräume von "Voices In My Head". Alles klingt anders und ist trotzdem aus einem Guss. Wohin uns das bringt, wissen wir am Ende zwar immer noch nicht. Aber es war ein großer Ritt.

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Queen & Michael Jackson: "There Must Be More To Life Than This"

File photo of Michael Jackson performing in Vienna

Quelle: Reuters

Zwei große Stimmen aus dem Totenreich hallten dieser Tage durchs Netz, zwei Stimmen, die man so noch nicht zusammengedacht hatte: In "There Must Be More To Life Than This" singen Freddie Mercury und - doch, doch: Michael Jackson. Erst jeder brav seine Strophe und dann im bombastischen Streicher- und Gitarrengewitter zusammen im Duett. Und das klingt, verflucht nochmal, genauso pathetisch, gewaltig und ausladend, wie man es sich vorstellt: Queen und King! Erst jetzt soll der Song, den Queen bereits 1984 auf dem Gipfel ihres Ruhms mit Jackson aufnahmen, auf der neuen Compilation "Queen Forever" veröffentlicht werden. Auch Discolegende Giorgio Moroder will dort bei einem Stück die Finger im Spiel gehabt haben - halleluja!

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Jamie T: "Carry On The Grudge"

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Quelle: Virgin (Universal Music)

Auf Understatement setzt dagegen - nach fünfjähriger Auszeit - Jamie T mit "Carry On The Grudge". Der 28-jährige Jamie Treays machte sich einst auf zwei stürmischen Platten zwischen Britpop, Reggae und Hip-Hop einen Namen als pöbelndes British Bigmouth. Im hinreißend schnodderigen Sprechgesang erzählte er als idealtypischer kettenrauchender Arbeiterjunge von Schnapsnächten in der Londoner Vorstadt. Das Schroffe und Genuschelte ist in den neuen Gitarrenstücken fast verschwunden, selbst das vorlaute Cockney klingt um einiges sanfter, alles wirkt polierter. In "Dont' You Find" oder "They Told Me It Rained" ist er sogar melancholisch. Man kann dieses entschärfte Songwriting bedauern. In Wahrheit aber klängen die alten, zotigen Lieder - man denke nur an "Sticks 'n'Stones" ( 2009) - heute merkwürdig unzeitgemäß, als wären seither mindestens 20 Jahre ins Land gezogen. "Damon Albarn hat mir geraten, auf mein Herz zu hören", erzählte er jetzt dem britischen Observer. Sein Album klingt, als hätte er viele verregnete Nachmittage darüber nachgedacht, was das eigentlich bedeutet. Ein Lad wird erwachsen. Mit Damon Albarns Segen.

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Kraftklub: "In Schwarz"

Kraftklub

Quelle: dpa

Bevor wir mit der schönsten, weil verrücktesten Idee der Popwoche schließen, noch ein Blick in die deutschen Albumcharts: Dort hat die Chemnitzer Band Kraftklub mit ihrem zweiten Albums "In Schwarz" wie erwartet die Spitze übernommen. Und auch wenn man deren Punkrock-Crossover nicht für das Allerallergrößte hält, ist es doch beruhigend zu wissen, dass hierzulande blasse, hühnerbrüstige Provinz-Underdogs einem brachial aufgepumpten "Prototyp Banger", wie er mit Rapper Majoe ("Breiter als der Türsteher") zuletzt auf Platz 1 stand, immer noch etwas entgegenzusetzen haben. God save the Männerbild.

© SZ vom 24.09.2014/tgl
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