Es herrscht gerade noch allenthalben die obligatorische kleine Grammy-Depression in der Popwelt. Am Sonntag wurden zum 57. Mal die wichtigsten Popmusikpreise vergeben, aber auch wenn man letztlich eine eher lahme Veranstaltung gesehen hatte, gab's natürlich doch ein paar bedeutende Momente. Dass Kanye West unaufgefordert kurz auf der Bühne erschien, als gerade Beck die Auszeichnung für das Album des Jahres erhalten sollte, war ein solcher.
Das notorisch größenwahnsinnige Hip-Hop-Genie erschien vor Jahren schon einmal ungefragt auf einer großen Fernsehbühne, um der damaligen Gewinnerin Taylor Swift das Mikrofon aus der Hand zu nehmen und todernst zu sagen, dass Beyoncé den Preis viel mehr verdient hätte. Diesmal drehte er im letzten Moment ab. Man atmete auf und dachte, er habe einen schönen, selbstironischen Witz gemacht. Aber so war es leider nicht. Der rechtschaffene Herr K wollte wirklich mal wieder für Gerechtigkeit sorgen. Das ebenfalls nominierte aktuelle Album von - genau - Beyoncé, hielt er für die bessere Wahl. Aber, so West hinterher, dann habe er sich an "seine Frau, seine Tochter und seine Mode-Kollektion" erinnert und sei ihnen zu Liebe wieder umgekehrt.
Stimmt, obacht, Superstar-Grundgesetz, Artikel 1, Absatz 1: Nicht die Familie mit reinziehen und wirklich auf keinen Fall: die Kollektion! Es sollte allerdings auch nicht verschwiegen werden, dass Becks "Morning Phase" zwar eine sehr schöne, ruhige, formvollendete Indie-Pop-Platte ist, das bessere und zeitgenössischere Album jedoch genau genommen tatsächlich das unbetitelte von Beyoncé sein dürfte.