Die CDs der Woche - Popkolumne:Mit dem Charme des Alters

Popkolumne Plattencover Uhlmann

"#2" von Thees Uhlmann.

Auf seinem zweiten Soloalbum belegt Thees Uhlmann sein Können, doch es müsste öfters mal jemand seine Texte gegenlesen. 2raumwohnung schreiten auf "Achtung, fertig" in der Zeit zurück, das aber mit dem Charme des Alters. Dass das Debütalbum "Unter meiner Haut" von Elif wesentlich weniger abgeklärt daherkommt, liegt einfach an ihrer Jugend. Die Popkolumne - zum Lesen und Hören.

Von Max Fellmann

Thees Uhlmann

Diese Woche dreimal Pop aus Deutschland, dreimal deutsche Texte. Thees Uhlmann, Ex-Sänger von Tomte, gefühlt so was wie der kleine Bruder von Tocotronic, veröffentlicht "#2" (Grand Hotel van Cleef), sein zweites Soloalbum. Guter Mann, eigentlich. Mut zum großen Pop-Moment, Breitwand-Akkorde, goldene Mitte zwischen Indie und Stadionkonzert, manchmal eine Idee von Vorstadt-Springsteen. Das Problem bei Uhlmann ist nur, dass er so gern Metaphern verwendet, die gut klingen, aber eigentlich gar nichts sagen. "Die Bomben meiner Stadt machen boom boom boom", singt er in einem Refrain - keine Erklärung, was die Bomben einer Stadt sein sollen, aber egal, irgendeine Endzeitphantasie eben.

Im Lied "Es brennt" geht es um ein Feuer, das geschürt werden muss und nachts "die Wölfe fernhält". Ein rundes Bild, aber dann hebt der Refrain mit großem Chor und Klavier an, Uhlmann singt "Wir werfen ein Streichholz in den Vulkan", und kein Mensch geht dazwischen und sagt, entschuldige bitte, das ist Unsinn, ein Streichholz im Vulkan ist wirkungslos. So geht das oft auf diesem Album, und das ist schade, denn in seinen guten Momenten schafft Uhlmann auch ganz wunderbare Stimmungen.

Vor allem wenn er sich traut, hemmungslos Chansons zu singen. Einen Refrain wie den von "Sommer nach dem Krieg" muss ihm erst mal einer nachmachen: Er sehnt sich nach einer frischen Brise vom Meer, und tatsächlich, da singen die Gitarren, schunkeliger Rhythmus, leichter Wind von der Nordsee, durchatmen. Doch, doch, Uhlmann ist schon ein Guter. Es müsste ihm nur ab und zu jemand die Texte gegenlesen.

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2raumwohnung

Während Uhlmann ein bisschen den Vorstadtrebellen gibt, gehen es Inga Humpe und Tommi Eckardt so unaufgeregt wie möglich an. Haben ja auch schon alles erlebt, die Achtziger, Punk, New Wave, Techno. Eigentlich kommen sie von der Elektronik, haben ihren Sound aber immer organischer gemacht, mehr Gitarren, mehr Sommernachmittag. Jetzt, mit dem Album "Achtung, fertig" (Universal), machen sie diese Entwicklung einfach rückgängig: ein Computer, eine Stimme, nicht viel mehr.

Album "Achtung, fertig" von 2raumwohnung

Auf dem Album "Achtung, fertig" klingen 2raumwohnung fast wie Neue Deutsche Welle von Dieter Thomas Heck.

(Foto: Universal)

Die Beats klöppeln wieder trocken dahin, im Hintergrund zirpen die Synthesizer. Dabei sind inzwischen zehn Jahre vergangen und plötzlich klingt das alles ein wenig alt. Bitte nicht falsch verstehen: Das hat Charme, besonders wo es weniger nach 2001 als nach 1981 klingt. Ein Fast-schon-NdW-Lied wie "Bye Bye Bye" hätte problemlos bei Dieter Thomas Heck laufen können. Und weil es in den Texten fast ausschließlich ums Zwischenmenschliche geht - Songtitel: "Ein neues Gefühl", "Bei dir bin ich schön", "Ich dich auch" usw. - hat die Idee von zwei Menschen vor ihrem Laptop ja auch was sympathisch wohnzimmeriges.

Trotzdem haben die beiden schon mehr gewagt als hier. Vielleicht muss man wörtlich nehmen, was sie einem entgegen singen: "Stell deine Frequenzen auf mich ein / Willst du auf meiner Wellenlänge sein". Da muss man sich dann wohl entscheiden.

Elif

Das Debütalbum "Unter meiner Haut" der Sängerin Elif

Auf ihrem Debütalbum "Unter meiner Haut" singt Elif erschreckend viel über Schmerz, bleibt aber immer berührend.

(Foto: Universal)

"Regenstadt" könnte ohne weiteres ein Lied von 2raumwohnung sein. Liebeslyrik mit urbanen Bildern, elektronische Beats, leichte Melodie an der Grenze zum Singsang. Gleiche Mittel, ähnliche Ansätze. Ansonsten aber geht das, was die junge Sängerin Elif macht, in eine ganz andere Richtung. Sie ist eben nicht über 50, sondern gerade 20 und hat mal in einer Castingshow mitgemacht. Aber die Abgeklärtheit von Eckardt & Humpe fehlt ihr völlig.

Auf dem Debütalbum "Unter meiner Haut" (Universal) stürzt sich die Sängerin mit einer Leidenschaft in ihre Lieder, die fast nach Verzweiflung klingt. Da will sich eine Frau zu ihren Sehnsüchten und Ängsten bekennen - großes Pathos. So was kann ganz schnell ganz peinlich werden. Wird es aber nicht, weil man dieser Frau immer glaubt. Da wogen Geigen über knochentrockenen Beats, dazu flüstert sie, haucht und schmettert mit einer großen Stimme, die alles schafft.

Elif singt erschreckend viel über Schmerz ("Nichts tut für immer weh", "Du kannst mir nichts"), so dass man gerne vorsichtig nachfragen würde, in was für einer gemeinen Welt sie denn wohl so aufgewachsen ist. Und dann kommt "Baba", das Lied für ihren Vater, und beantwortet die Frage zumindest ansatzweise, indem es in wenigen Worten ein Migrantenschicksal erzählt: "Ich bleib mit dir bis morgen wach / Bis du wieder schlafen kannst / Du bist einfach nie angekommen". Berührend.

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