Die CDs der Woche - Popkolumne:Keine Angst, sich nackt zu zeigen

Zartheit und Klangpeitschen: Die neuen Alben von Damien Jurado und Automatic Sam machen Spaß, während Maximo Park mit Synthi-Gedudel und die Truckfighters mit Gedröhne nerven. Die Popkolumne - zum Lesen und Hören.

Von Max Fellmann

Damien Jurado

Manchmal trifft man auf Sänger, die möchte man am liebsten in den Arm nehmen und mit einer Tasse Tee wärmen, so zerbrechlich, so hilflos wirken sie. Damien Jurado aus Seattle singt seit bald zwanzig Jahren seine Lieder, eine ganz zarte, eigenwillige Form von Folkpop, die an den Rändern gern ins Psychedelische kippt, und wie er sich so allein ins Falsett schraubt, mit dünner Stimme klare Melodielinien in den eisgrauen Himmel singt, fleht, wimmert, das hat eine gebrochene Größe.

Die CDs der Woche - Popkolumne: Das Album "Brothers and Sisters of the Eternal Son" von Damien Jurado hat eine gebrochene Größe.

Das Album "Brothers and Sisters of the Eternal Son" von Damien Jurado hat eine gebrochene Größe.

Bestes Beispiel auf dem neuen Album "Brothers And Sisters Of The Eternal Son" (Secretly Canadian/Cargo) ist gleich das erste Stück, der wunderbare Song "Magic Number": Der wackelt mit einem Breakbeat nett los, entwickelt dann mit Streichern dickes Pathos - aber bevor er zu selbstbewusst klingen könnte, bricht er einfach ab, versandet nach einer guten Minute in Hintergrundgeräuschen, unentschlossenem Gerumpel, um sich dann langsam wieder zusammenzusetzen, ganz behutsam, ganz leise.

Ein umwerfender Filmrisseffekt. Jurado hat viele Tricks dieser Art drauf, er ist ein großartiger Songwriter, aber er traut sich, Schwäche zuzugeben. Wobei er, ganz wichtig, nie jammert. Er hat nur keine Angst, sich nackt zu zeigen. Anders gesagt: Der Mann könnte auch Bedienungsanleitungen vorsingen, man hätte immer das Gefühl, er schüttet einem gerade sein Herz aus.

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Automatic Sam

Und jetzt, sagte Max, machen wir Krach. Die Band Automatic Sam stammt zwar nicht von da, wo die wilden Kerle wohnen, sondern aus Holland, aber sie lassen es mindestens so scheppern und rumpumpeln wie die netten Monster aus Maurice Sendaks Kinderbuchklassiker.

Die CDs der Woche - Popkolumne: "Sonic Whip" von Automatic Sam macht dem Albumtitel alle Ehre.

"Sonic Whip" von Automatic Sam macht dem Albumtitel alle Ehre.

Ihr zweites Album heißt "Sonic Whip" (Quadro Entertainment/H'Art), auf deutsch "Klangpeitsche", und das trifft es ziemlich genau: Berserker-Schlagzeug und quietschende Fuzz-Gitarren, viel manische Wiederholung, Schlag für Schlag eine Mischung, die in den letzten Jahren vor allem von den Queens Of The Stone Age perfektioniert wurde - gegen die sich Automatic Sam aber durchaus behaupten können. Und das tolle 7-Minuten-Gewitter "Rewind" dürfte auch Josh Homme gefallen.

Maximo Park

Vor genau zehn Jahren haben diese fünf Engländer ihre erste Single veröffentlicht, seitdem sind sie Dauergäste auf den Festivals in ganz Europa, weil ihr sehr britischer Gitarrenpop genug Wucht hat, um ein Stadion zum Hüpfen zu bringen, aber auch genug melancholische Momente, bei denen das Publikum ein bisschen kuscheln kann.

Die CDs der Woche - Popkolumne: "Too Much Information" von Maximo Park langweilt mit nüchternem Synthi-Gedudel.

"Too Much Information" von Maximo Park langweilt mit nüchternem Synthi-Gedudel.

Auf dem neuen Album "Too Much Information" (Vertigo Records/Cargo) spielen sie allerdings diese zwei Stärken nicht recht aus. Statt Melancholie gibts hier eher kühle Nüchternheit mit Synthi-Gedudel, die Wucht ist begrenzt auf einige wenige Songs wie das tolle Breitwandgitarrenfest "My Bloody Mind", aber die ganz großen Momente fehlen in beiden Richtungen.

Schön dafür die Songs, in denen die Band sich fast parodistisch deutlich an den Smiths orientiert: filigrane Gitarrenfiguren, hoppelige Rhythmen - und ein Songtitel wie "Lydia, The Ink Will Never Dry" kann eigentlich nur bedeuten, dass sie Morrissey ein paar alte Notizbücher abgekauft haben.

Truckfighters

Schweden ist ein wunderbares Land. Endlose Wälder, tausende von Seen, das Licht des Nordens, Stille. Ein Land, das wie geschaffen scheint, um irgendwo mit einer akustischen Gitarre auf einem Baumstumpf zu sitzen und leise Liedchen zu summen. Stattdessen kommen aus Schweden ständig Bands, die rumlärmen, Horden von Death-Metal-Düsterlingen, großartige Punkrocker wie die Hives - und Stiernacken wie die Truckfighters.

Die CDs der Woche - Popkolumne: Auf dem Album "Universe" machen Truckfighters ungestümes Gedröhne.

Auf dem Album "Universe" machen Truckfighters ungestümes Gedröhne.

Das Trio spielt das, was in Ermangelung besserer Begriffe oft Stoner Rock genannt wird, schweres, ungestümes Gedröhne, das aber nicht nach Kifferbude klingt, sondern nach Motorradwerkstatt. Die Lieder auf "Universe" (Fuzzorama/Rough Trade) sind keine besonders feingeistigen Werke, aber egal, der Sinn dieser Musik sind weiß Gott nicht die Zwischentöne. Wichtig ist hier - wie bei vielen Alben dieses Genres -, wie der Hörer mit dem Lautstärkeregler mitarbeitet. Die Mitglieder der Truckfighters nennen sich Ozo, Dango und Poncho - früher gehörten zur Band auch schon die Herren Fredo, Paco, Franco, Frongo, Pedro und Pezo. Bingo.

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