Die CDs der Woche - Popkolumne:Kanye "I Am A God" West läuft sich warm

Rn.     1st annual Roc city classic starring Kevin Durant x Kanye West

Kanye West legt sich ins Zeug, 2015 soll ein neues Album von ihm erscheinen.

(Foto: AP)

Schaut auf mich! Die Rapper Drake und Kanye West überbieten sich vor der Veröffentlichung ihrer Alben mit PR-Stunts. Um Musik geht es aber nur einem von beiden.

Von Annett Scheffel

Drake vs. Kanye "I Am A God" West

Kein Zweifel, das Duell der Woche liefern sich der kanadische Rapper Drake und Kanye "I Am A God" West. Beide haben für 2015 ein neues Album angekündigt, und beide gehören zu den ganz großen Popstars der Gegenwart: Drakes letzte letztes Album "Nothing Was The Same" verkaufte sich bereits in der ersten Woche 650 000 Mal, bei Wests jüngstem Werk "Yeezus" waren es knapp 500 000.

Der große Kampf war zunächst allerdings eine One-Man-Show wie schon in den vergangenen Wochen: Kanye-West-Festspiele. Er war schon schwer bei der Arbeit, als noch gar nicht ganz klar war, ob Drake überhaupt gegen ihn antreten werden würde. Es gab lange kaum mehr als Gerüchte.

Am Anfang ist die Kanye-Show

West hatte sich schon frühwarmgelaufen: Nach den Singles, die er zusammen mit Paul McCartney und Rihanna aufgenommen hatte, und nach seinem irrwitzigen Grammy-Zwischenfall in der vergangenen Woche, gab er einem Radiosender in Los Angeles erst einmal eines seiner notorisch größenwahnsinnigen Interviews. Die Stimmen in seinem Kopf, hätten ihm, West, befohlen, zu Preisträger Beck auf die Bühne zu gehen. Gleich danach sei die Sängerin Taylor Swift auf ihn zugekommen und habe gemeint, er hätte es durchziehen sollen.

Und um die Sache abzurunden gab es noch einen Vergleich für die Schlagzeilen: Er sei "a little bit more angst" als McCartney. Ein Getriebener, ein bisschen wie John Lennon. "Und erinnert ihr euch, was für Musik dabei herauskam, als Paul das letzte Mal mit so jemanden zusammengearbeitet hat?" Der Mann weiß, wie man an der eigenen Legendenhaftigkeit arbeitet. Fast geriet dabei "Wolves", seine neue Single mit Sia und Rap-Jungtalent Vic Mensa, die er am Donnerstag zusammen mit seiner Mode-Kollektion veröffentlichte, zum melancholischen, mit Auto-Tune üppig verzerrten Hintergrundrauschen.

Auftritt Drake

Dann aber, aus dem Nichts: Auftritt Drake. Und was für einer! Als Vorgeschmack auf sein kommendes Album stellte er ein Mixtape mit 17 Songs für 13 Dollar ins Netz: "If You're Reading This, It's Too Late" - wenn ihr das hier lest, ist es schon zu spät. Und während das halbe Internet noch über die Macht dieses PR-Stunts diskutierte und darüber wer von den beiden denn nun gewonnen hat, wurde allmählich klar: Es ging gar nicht mehr um Aufmerksamkeit, es ging endlich wieder um Musik.

Drakes Album ist eine düstere, wehmütige Nabelschau, die Sinnsuche eines jungen Mannes in Luxuslimousinen, verrauchten Clubs und frostig-schummrigen Nächten. Da konnte sich Kanye beim 40. Geburtstag von "Saturday Night Live" in New York mit gespenstischen Kontaktlinsen noch so sehr auf dem Bühnenboden wälzen: Als er es las, war es schon zu spät.

Das Gegenprogramm zum Rapper-Egotrip

José González: Der Mensch als verschwindend kleiner Fleck

Gut dass man dann beim Hören von José González' Album "Vestiges & Claws" wieder zur Ruhe kommen konnte: Die zurückhaltenden, luftigen Songs mit so feingeistigen Titeln wie "With The Ink Of A Ghost", mit zart gezupfter Gitarre und dem weise gehauchten Gesang des Schweden haben nichts mit den Egotrips amerikanischer Rapper zu tun. Der Mensch bildet auf der dritten Soloplatte des Junip-Sängers vielleicht immer noch das Zentrum der Welt, inmitten von Natur und kosmischen Kräften ist er aber nur eine dürftiger, verschwindend kleiner Fleck.

Man kann das kitschig finden, wenn González in "Leaf Off / The Cave" von dem Licht singt, das uns aus dem finsteren Untergrund nach oben führen soll. Andererseits rückt so ein Höhlengleichnis hier und da auch mehr als 2000 Jahre Platon noch so manche Bezüge wieder gerade. Und man bekommt wirklich ziemlich Lust, endlich mal wieder in Wald hinauszufahren.

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Hot Chip: Tanzmusik mit ernsten Tönen

Wenn, ja wenn es nicht soviel neue Musik gäbe, die einen davon ablenken würde: Von der britischen Indie-Elektroband Hot Chip zum Beispiel. Die veröffentlichten diese Woche mit "Huarache Lights" eine erste Hörprobe ihres für Mai angekündigten, sechsten Albums "Why Making Sense". Und glaubt man dem, was einem da fünf Minuten lang an Grooves und Beats um die Ohren fliegt, ist dann am Ende gar nicht alles so sinnfrei, wie es der Albumtitel andeutet.

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Hot Chip machen nämlich einfach wieder das, was sie am besten können: Tanzmusik, bei der es nie nur um reine Unterhaltung geht, sondern auch um die Angst vor der Einsamkeit etwa. "Replace us with the things, that do the job better", raunt Sänger Alexis Taylor und eine Roboterstimme stimmt mit ein.

Die ewig drohende Austauschbarkeit macht keinen Spaß. Außer man lässt den Midtempo-Shuffle mit wirbelnden Synthesizern so schön aufbrausen und am Ende dröhnend in sich zusammenfallen wie in "Huarache Lights". Dann ist einem immerhin schon mal nicht mehr langweilig.

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