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Die CDs der Woche - Popkolumne:Kampfgeist des Funk

Wenn Jimi Hendrix nicht gestorben wäre, würde er wohl wieder R'n'B machen. So zumindest hört sich die neueste posthume Platte von ihm an. Es gibt noch mehr aktuelle und zugleich universal gültige Musik, unter anderem von Chris Darrow und Country Funk. Zum Lesen und Hören in unserer Popkolumne.

Von Andrian Kreye

Jimi Hendrix

Jimi Hendrix' Diskografie besteht zum größten Teil aus posthumen Platten. Jetzt erschien gerade "People, Hell and Angels" (Sony). Es soll nach Angaben seiner Nachlassverwalter das letzte Album mit unveröffentlichten Studioaufnahmen sein. Weswegen ihm die Fachpresse für erwachsene Rockfans auch gleich Titelgeschichten und Schwerpunkte widmete.

Nun haben solche Alben vor allem für Fans Bedeutung. Fast alle dieser Stücke findet man in anderen Versionen auch auf anderen Alben. Interessant ist "People, Hell and Angels" aber vor allem deswegen, weil die Zusammenstellung zeigt, dass Hendrix in den zwei Jahren vor seinem Tod auf der musikalischen Suche war. Die meisten Stücke entstanden, nachdem sich die "Jimi Hendrix Experience" aufgelöst hatte. Vier Nummern sind mit der "Band of Gipsys", mit der er noch ein furioses Live-Album aufgenommen hatte, zwei mit der Formation, die ihn beim Woodstock Festival begleitete. Es gibt eine Aufnahme aus den verschollenen Sessions mit seinem Freund Stephen Stills. Im Kontext von zwei größeren Bands (mit dem Saxofonisten Lonnie Youngblood, sowie mit den Ghetto Fighters im Muscle Shoals Studio) nimmt er seine Virtuosität im Dienste des Grooves sogar etwas zurück.

Man kann das gut am Stück weghören und kommt dann zum melancholischen Schluss, dass Hendrix sich wohl auf seine Wurzeln im Rhythm and Blues besonnen hätte, wäre er nicht am 18. September 1970 gestorben.

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Es gibt kein Genre namens Country Funk. Trotzdem ist der Sampler mit diesem Titel ein großartiger Seitenblick auf eine Zeit, als sich die amerikanischen Musiker nicht mehr darum scherten, wo die Genregrenzen liegen. Die beiden "Dirty Laundry"-Sampler bei Trikont haben sich dem Thema ja schon von der anderen Seite her genähert und vorgeführt, dass Soulsänger aus den Cowboy-Traditionen mit ein wenig Inbrunst universal gültige Musik machen können.

Die 16 Stücke auf "Country Funk 1969 - 1975" (Light in the Attic) verbindet nun nicht viel mehr, als die Sehnsucht von Country-Musikern, nicht nur aus ihrer provinziellen Nische in den Mainstream des Pop vorzustoßen, sondern musikalisch ihre Wurzeln im volkstümlichen Rhythmusgefühl von Landeiern hinter sich zu lassen.

Dass sie sich dabei beim Funk bedienten, mag eine Laune der Musikgeschichte sein. Nach dem Siegeszug der schwarzen Musik über Motown-Pop dominierte der Kampfgeist des Funk Anfang der Siebzigerjahre das Stilbewusstsein des Pop. Doch selbst wenn Country Funk nur eine Ausnahmeerscheinung war - als Sampler reißt einen das sofort mit.

Die Flucht aus den Sackgassen der Rockgeschichte in Country, Folk und Americana vollzieht sich seit Ende der Sechzigerjahre in Wellen. Weil unzählige junge Bands von Los Angeles bis London gerade wieder ihre Inspiration in den Weiten der amerikanischen Landschaft und Mythenwelt suchen, schürfen die Labels auch wieder in ihren Katalogen.

Und da kommen dann längst vergessene Platten wie Chris Darrows Soloalbum "Artist Proof" (Drag City) von 1978 wieder zum Vorschein. Nun kennt man heute nicht einmal mehr die Bands, mit denen er bekannt wurde. Gemeinsam mit Dave Lindley hatte Chris Darrow "Kaleidoscope" gegründet, die Jimmy Page mal als seine Lieblingsband bezeichnete. Später ersetzte er Jackson Browne bei den Countryrockern der Nitty Gritty Dirt Band.

Weil dieser ganze popphilologische Ballast inzwischen bei Darrows aber keine Rolle mehr spielt, funktioniert "Artist Proof" als eigenständiges Album. Nicht nur weil er sämtliche Spielformen und Instrumente der amerikanischen Roots-Musiken beherrscht, sondern auch, weil er damals ein Beatles-Fan war. Da verbinden sich die schwebenden Pedal-Steel-Gitarren, die Mandolinen und Fiddles mit einem Gespür für Songs, die einen auch ohne Genre-Arrangements überzeugen.

Fortlaufende Popkolumne der SZ

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SZ vom 27.03.2013/kath/pak/rus
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