Stars
Vielleicht liegt es am Namen. Einem Namen, der in der Popwelt so ungefähr mit Max Mustermann gleichzusetzen ist. Vielleicht ist der also Schuld daran, dass die Stars aus Kanada mit ihren teilweise brachial guten letzten Alben zwar fest zum 00er-Jahre-Kanon gehören, insgesamt aber doch unnahbar und seltsam überirdisch geblieben sind, naja, wie die Band Stars eben. Nun, es gibt sie aber noch und sie haben ein echtes, siebtes Album gemacht, das mit einem absoluten Sahnediscoknacker namens "From the night" losgeht. Ihre besten Songs haben ja stets das wild Flamboyante mit dem charakteristisch braven Gesang des gemischten Indiepop-Duetts gepaart. Sie haben immer den Willen zum Bombast und doch das Gefühl für die richtige Länge eines Songs. Wer das exemplarisch nachhören will, muss mal eine der Stars-Kurzopern mit charakteristischem Crescendo heraussuchen, wie das ältere "In our bedroom after the war", ein episches Stück Musik. Ähnlich perfekt ist auch der Eröffnungssong von "No one is lost" hier gelungen. Das Lied treibt den Hörer vor sich her, bis der irgendwann aufhört, sich nach ihm umzusehen und dann hat es ihn und reißt ihn mit sich. Eine Wucht. Ungünstig, sowas gleich am Anfang zu verpulvern, aber die Platten der Stars hatten auch schon immer eine eigenwillige Dramaturgie. Auf dieser sind die Rosinen recht gleichmäßig in einem Teig verteilt, der auch über weite Strecken ein bisschen beliebig rumschallert. Es fehlen ein wenig die Pointen, das Unwiderstehliche der früheren Werke. Sie nehmen hier abermals die großen Themen aus der Kiste, es geht um Tod und Trennung und nicht wissen, wie eigentlich weiterzuleben ist. Das zeitigt berückende Momente, die "No one is Lost" zu einem empfehlenswerte Album machen, wenn auch eher für Kenner des Gesamtwerkes. Allen anderen mag der offensive Flirt mit Beat und Glam-Elektro bei gleichzeitiger Wahrung einer melodramatischen Popemotionalität zu eklektisch erscheinen. Aber das ist er eigentlich nicht. Es sind eben nur. . . Stars.
Wanda
Austropop schreibt irgendwer über die Band Wanda aus Wien. Das ist eigentlich kein Label, das man einer jungen Band zum Start wünscht, aber wenn man diese speziellen Herrschaften zum ersten Mal in Aktion erlebt, hat man den Eindruck, sie würden es sogar irgendwie leiwand finden. So etwas wie Wanda hat man tatsächlich lange nicht mehr gesehen und gehört, so eine köstliche, Fendrich-artige Burenwurschtigkeit mit der sich Sänger Marco Michael Wanda mit offenem Hemd und Kippe durchs Video von "Bologna" fläzt und dabei singt: "Ich kann sicher nicht mit meiner Cousine schlafen, obwohl ich gerne würde, aber ich traue mich nicht." So ein wunderbares Zigarettenbürscherl! Das ist die Wiener Chuzpe, die man von den ganz frühen "Ja,Panik" kennt, gepaart mit einem Urvertrauen ins eigene Jungsein und ein bisschen Falco-Haargel. Es ist aber auch ein brachialer Zeitgeist, der hier und auf dem ganzen exzellent-verkorksten Debütalbum "Amore" (Problembär Records) tönt und von dem man fast annehmen möchte, dass er durch jahrzehntelanges Hören des Radiosenders FM4 entstanden ist. Eine popkulturelle Abgefeimtheit ist das, die hierzulande irgendwie noch ziemlich selten ist. Witz und Wahnsinn, Melodie und Peinlichkeit sauber auf die Bühne gebracht. Die Musik? Relativ banaler Poprock, zwar regional und handgemacht, aber nein, das lebt hier von der Attitüde des Frontmanns. Wanda sind radiotauglich und auch clubkredibel, ur-gut, irgendwie. Aufpassen, von denen kommt noch mehr!
Curse
Der Mann, der sich Curse nennt, war schon immer ein Außenseiter. In Minden weitab von den Knotenpunkten des HipHop und in seinen Texten irgendwie weitab von der Feierlaune und Derbheit der Kollegahs, destillierte dieser Michael Kurth Texte und setzte dazu vergleichsweise minimalistische Beats. Jetzt hat er nach langer Pause mit "Uns" (Indie Neue Welt) wieder eine ganze Platte vorgelegt, die über weite Strecken wohltuend experimentell und tief geht. Seine Texte sind entschlackte und zugespitzte Lebenskapitel, klar erzählt, weniger auf den Flow als auf den Flattermagen beim Hörer bedacht. Ein schwarzes Poesiealbum, ein ostwestfälisches Friedensangebot. Am besten ist Curse in den sorgsam inszenierten Gänsehautmomenten, etwa dem großartig getexteten Trauerlied für einen Freund "Kristallklarer Februar" oder dem zarten "Ende", das er gemeinsam mit der wunderbaren Sängerin Fibi Ameleya beweint. Was Curse hier anbietet ist das Melancho-Büffet eines Freidenkers, das aber nur an manchen Ecken richtig Fahrt auf- nimmt ("Herz zurück"). Der Rest ist dunkles Treibgut und viel hart pochender Herzschlag. Rap für den November.