Die CDs der Woche - Popkolumne:Everybodys Blitzblank-Glitzer-Pop-Darling

Ed Sheeran

Beherrscht bestimmt bald die Charts: Sänger, Gitarrist und Songwriter Ed Sheeran.

(Foto: dpa)

Seine Superstar-Produzenten wollen aus Ed Sheeran scheinbar einen zweiten Justin Timberlake machen, dafür spricht zumindest die erste Single seines neuen Albums "X". Kate Tempest rührt jeden, der Herz und Verstand hat. Und jetzt ist es gewiss: Deichkind sind Genies. Die Popkolumne - zum Lesen und Hören.

Von Jens-Christian Rabe

Wenn nicht alle völlig verrückt spielen, dann wird das am Freitag erscheinende zweite Album "X" (Warner) des britischen Sängers, Gitarristen und Songwriters Ed Sheeran bestimmt ganz bald die Charts beherrschen.

Weltberühmt wurde Sheeran vor drei Jahren mit seinem Hit "The A-Team" und dem Album "+". Jetzt scheint es so, als wollten Superstar-Produzenten wie Pharell "Happy" Williams und Rick Rubin aus dem rothaarigen trockenen Alkoholiker aus Suffolk einen zweiten Justin Timberlake machen. Everybodys Blitzblank-Glitzer-Pop-Darling.

Man höre nur die erste Single "Sing". Feiner bassiger Rumpel-R'n'B, bisschen Sprechgesang, bisschen artiges Kopfstimmengejaule. Interessantes Projekt. Mal sehen ob's klappt. Wenn nicht, wäre draußen im Netz ja immer noch Sheerans großartige Unplugged-Version von Blackstreets Hit "No Digitty" mit Passenger.

Das Album "Everybody Down" (Big Dada) der britischen Rapperin und - doch, doch - preisgekrönten Dichterin Kate Tempest ist schon einen Monat in der Welt, aber wer die Platte noch nicht hat, der sollte sich bei Youtube nur einmal ansehen, wie sie mit einem ihrer wirklich spektakulären Spoken-Word-Gedichte in einer Kultur-Sendung von National Radio Sydney den distinguierten weißbärtigen Moderator Phillipp Adams zum Weinen bringt. Wer da nicht auch mindestens gerührt ist, hat weder Herz noch Verstand. Wow.

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Das Video der Woche ist der Clip zum WM-Song des unfassbar fabelhaften deutschen Krawallo-Dance-Rap-Kollektivs Deichkind. Wobei der Song, er heißt "Ich habe eine Fahne", natürlich auch der Song der Woche ist - und in einer besseren Welt auch der offizielle Song zur Fußball-Weltmeisterschaft wäre.

Bilder und Musik entziehen sich allerdings der Beschreibung. Wenn man sich nicht um Kopf und Kragen beschreiben will. Man muss es sehen und hören. Jetzt nur so viel: Es sind gespenstisch animierte Panini-Alben zu sehen. Und mit der Musik gelingt das beinahe Unmögliche: gute unsubtile Ideologiekritik mit den Mitteln der Popkultur. Mit anderen Worten: Den Verdacht gab es ja schon, aber jetzt ist es Gewissheit: Deichkind sind Genies.

Mariah Carey

Der amerikanische Rolling Stone hat sich gerade bei den erfolgreichsten Country-Songwritern nach den "14 Regeln zum Schreiben eines Country-Hits" erkundigt. Abgesehen davon, dass sie offenbar mit Hip-Hop vertrauter sind, als man bislang glaubte, wissen wir nun endlich, warum in Country-Songs nicht geflucht werden darf: "Man darf im Country nicht "fuck" sagen", gestand der Songwriter Dallas Davidson, dem bislang zwölf Nummer-Eins-Country-Hits glückten: "Man kann über Sex reden, das schon, seit den Sechziger- und Siebzigerjahren geht es in Country-Songs um Sex. Heute mehr denn je. Man darf fast alles. Nur keine Schimpfwörter verwenden. Unsere Musik läuft ja im Radio, und die Soccer-Mums, die ihre Kinder mit dem Auto durch die Gegend fahren - die wollen nicht, dass ihr Kinder Flüche hören."

Diese Sensibilität erklärt auch den Warnhinweis "Parental Advisory - Explizit Lyrics" auf dem neuen Album "Me. I Am Mariah" von - genau! - Mariah Carey. Der Aufkleber wurde ja nicht für Balladen-Bardinnen erfunden. Aber wenn uns nicht alles täuscht, singt auf dem vierten Song "#Beautiful" jemand zwischendurch mal "fucking beautiful". Böse, böse Mariah.

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Womit wir beim Preis für den AlbumTitel der Woche wären. Und weil der doch etwas psychopathische Name des Carey-Album - Miiiih, ei äm Mähreiaaah" - wirklich zu gruselig ist, gewinnt die Band Sons Of Magdalene. Sie macht zwar eher uninspirierten, trübe-sphärischen Elektro-Pop. Aber ihr neues Album trägt den sehr schönen, klugen Titel: "Move To Pain". Spanien als Altersruhesitz war gestern. Es ist Zeit, es sich im Schmerz gemütlich zu machen.

Bliebe ein Blick auf die aktuellen deutschen Single-Top-Ten. Da steht auf dem sechsten Platz gerade einer der seltsamsten Hybride der jüngeren Chart-Geschichte. Der niederländische DJ und Produzent Bakermat hat für "One Day (Vandaag)" Martin Luther Kings historische "I have a dream"-Rede gesamplet und mit einem stumpf-federnden Standard-Deep-House-Trottelbeat unterlegt. Dazu gibt es noch ein bisschen verhallte Saxofon-Konserven. 2013 war das in Holland, Belgien und Frankreich ein Sommerhit. Eigentlich ist es aber irrsinnig dumme Musik, ein Fall scheußlicher Trittbrettfahrerei und fast schon ein Verstoß gegen die Menschenrechte.

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Viel erfreulicher wäre es, wenn das Land zur Debüt-Single "Hideaway" von Kiesa Rae Ellestad alias Kiesza (gesprochen Keisa) so gekonnt beiläufig auf der Straße herumtanzen würde, wie es die kanadische Sängerin in ihrem wunderbaren Video tut. Ach. Immerhin steht sie einen Platz vor Bakermat.

Fortlaufende Popkolumne der SZ. Wenn Sie diese Songs nicht hören können, melden Sie sich bitte bei Spotify an. Auf der rechten Seite finden Sie mit der Maus den (sehr kleinen) Scrollbalken. Wenn Sie nach unten scrollen, finden Sie die Alben, die in den vergangenen Wochen in der Popkolumne besprochen wurden und gleichzeitig bei Spotify enthalten sind.

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