Süddeutsche Zeitung

Die CDs der Woche - Popkolumne:Brother From Another Mother

Wer singt noch mal "Summer of '69" - Bryan oder Ryan Adams? Jetzt tun es beide.

Von Jakob Biazza

Dann wäre dieser Pop-Running-Gag also auch endlich zu einem würdigen Ende gekommen: Ryan Adams hat "Summer Of '69" gecovert. Den großen Hit von Bryan Adams. Wer bis hierhin unaufmerksam gelesen hat: Der mit B vertont Kevin-Costner-Filme mit raubeinigen Balladen, der ohne sein latent poröses Seelenleben mit knochigen Indie-Country-Skeletten. Die beiden unterscheiden sich also recht gravierend. Nicht zuletzt deshalb fanden Konzertbesucher die Namensparallele so witzig, dass sie immer wieder Bryans Song von Ryan forderten. Ein Fan einmal so lange, bis er rausgeschmissen wurde. Das Ganze habe ihn so sehr gepeinigt, so Ryan Adams in einem Interview, dass er sogar eine Therapie beginnen musste. Nun ja. Jetzt jedenfalls der Befreiungsschlag: Man kann den Auftritt bei Youtube sehen.

Optisch erinnert Adams darin gerade wieder etwas mehr an eine Krähe nach dem Waldbrand, was es umso faszinierender macht, mit welcher Nonchalance er sich diesen breitbeinigen Coming-of-Age-Stampfer zu eigen macht. Was für eine dunkelsüße Strahlkraft, was für eine Leichtigkeit. Wer hätte gedacht, dass das in diesem Song steckt. Überhaupt scheint es Ryan Adams in letzter Zeit ganz gut zu gehen. Zumindest wirkt er auf seinem am Freitag erscheinenden neuen Live-Album "Ten Songs From Live at Carnegie Hall" (Paxam/Sony) so. 42 Solo-Stücke sind ursprünglich auf der Platte. Für den deutschen Markt wurde leider nur die erschwinglichere Variante mit zehn Songs gepresst. Aber auch auf der gibt es ein paar wirklich unverkrampfte Gags über psychische Probleme. Und auch musikalisch eine überraschende Beschwingtheit. Selbst über den Liedern, die aus den muffigsten Kellerabteilen der Depressionen stammen, scheinen die Melodien während des Konzertes zu schweben. Ryan Adams klare Stimme tänzelt auch noch über den sumpfigsten Wehklagen.

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Retroseligkeit für Operationen ohne Narkose

Überhaupt sind es gute Popwochen. Es gibt ja tatsächlich noch ein Werk, das aus den sonst gerade recht enttäuschenden Veröffentlichungen aus den Genres Folk, Country oder Americana heraussticht: Das Duo Kenneth Pattengale und Joey Ryan hat gerade sein drittes Studioalbum als The Milk Carton Kids veröffentlicht: "Monterey" (Anti/Indigo). Und es ist schon wieder ein sehr verwirrendes Stück Musik. Die beiden Gitarristen und Sänger aus Kalifornien schreiben ja eigentlich Songs, für die ihnen Willie Nelson wegen Retroseligkeit die Ohren lang ziehen müsste: Hundertfünfzig Jahre alte Akkordverbindungen, verziert mit hundert Jahre alten Solo-Phrasierungen. Aber wozu das plötzlich wird, wenn sie diese wie zur Faust geballt engen Satzgesänge darüber legen! Als würden die beiden zu einer einzigen Person verschmelzen. Eine schwüle Melancholie bekommt das dann, und eine sanft dahinfließende Harmonie. Wahrscheinlich kann sich mittelgroßen Operationen ohne Narkose unterziehen, wer eine Stunde lang auf Kopfhörern Musik dieser Band aus Kalifornien gehört hat.

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Indie-Mainstream-Dance-Pop ohne Produzenten?

Die merkwürdigste Ankündigung kommt von der schwedischen Sängerin Robyn. In einer Nachricht auf Facebook bewirbt sie ihr neues Projekt Robyn & La Bagatelle Magique. Auf dem Dans-Dakar-Festival in Stockholm (auf im August übrigens auch Diplo und Giorgio Moroder auftreten werden), heißt es, werde die Formation zum ersten Mal auftreten. Neben Robyn bestehe sie aus ihrem Tour-Keyboarder Markus Jägerstedt und dem Produzenten Christian Falk. Letzterer ist allerdings im vergangenem Jahr gestorben. Auf der Homepage der Band gibt es auch nur einen sehr rohen, zappeligen Loop aus einem dünnen Keyboard und etwas Beat - und die Möglichkeit, sich für E-Mail-Updates anzumelden. Wir sind gespannt, wunderten uns aber, wenn Robyn nicht auch dieses Mal genau weiß, was sie tut. Als Erfinderin und Anführerin des Genres Indie-Mainstream-Dance-Pop verdient sie ja ohnehin längst jede Verehrung.

Südafrikaner mit Schweizer Bandnamen

Bliebe die Zufallsentdeckung der Woche beim Primavera Festival in Barcelona: Beatenberg. Ja, die Band aus Südafrika heißt exakt so wie eine politische Gemeinde im Verwaltungskreis Interlaken-Oberhasli des Kantons Bern. Die drei sehr adretten Jungs - darunter der vergnügteste Schlagzeuger seit Ringo Starr - klingen, als würden sie Paul Simon imitieren, der gerade afrikanische Rhythmen imitiert. Allerdings gibt es dazu ein paar glitzernde Synthie-Flächen und dick glasierte Pop-Melodien. Ihr Album "The Hanging Gardens of Beatenberg" (Universal) ist bereits im vergangenen Jahr erschienen. Aber gerade ist die Band in Europa unterwegs. Wenn sich also die Möglichkeit bietet, das Trio - am besten bei einem Drink mit Minze - live zu sehen, sollte man sie unbedingt ergreifen.

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