Die CDs der Woche - Popkolumne:Bleiche Männer mit ernster Musik

Lesezeit: 3 min

Man kann ihre Musik prima hören, wenn's gerade mit dem Wegdösen nicht klappt: die Glass Animals (Foto: Liam Cushing)

Glass Animals klingen nach Indie und niedrigem Blutdruck. Das Debütalbum "Zaba" entstand großteils in Nächten, in denen Sänger Dave Baley an Schlafstörungen litt. Nun wird die Band bejubelt - doch es gibt ein kleines Problem. Die Popkolumne - zum Lesen und Hören.

Von Max Fellmann

Wenn sich Politik-Magazine an Popthemen versuchen, ist das in der Regel so ergiebig, als würden Kochzeitschriften Autos testen. Die neue Ausgabe von Cicero titelt "Der letzte Sommer des Rock 'n' Roll - Wie es mit dem Sound einer Generation weitergeht, wenn seine Väter weg sind". Da könnte man gelangweilt seufzen, dass dann eben die Nachfahren den Job übernehmen, und das Heft weglegen.

Aber es gibt nun mal für Journalisten nichts Schöneres, als Epochen auszurufen oder für beendet zu erklären. Also gönnt man den Kollegen den Spaß und liest sich durch den zehnseitigen Artikel, der jede Überraschung umkurvt (Ausgangsbeobachtung: Stars wie Jimmy Page, Patti Smith und Mick Jagger sind schon ganz schön alt), um punktgenau beim erwarteten Ergebnis zu landen: "Selbst wenn die Protagonisten sterben: Ihre Nachfolger bewahren, interpretieren, variieren, ergänzen das Erbe."

Ja, sicher. Und? Die Titelgeschichte endet so: "Der Rock 'n' Roll ist tot. Es lebe der Rock 'n' Roll." Dann doch lieber die neuen Erdbeerkuchen aus Meine Familie & ich nachbacken. Die guten Musikblogs von Pitchfork bis Quietus schwärmen im Moment von den Glass Animals aus Oxford, einem Quartett aus bleichen, ernsten Männern, die bleiche, ernste Musik machen. Verhaltene Elektro-Beats, Indie-Gesang, bisschen sphärisch, niedriger Blutdruck.

Laut Angaben des Sängers Sänger Dave Baley entstanden die ersten Stücke des nun erschienenen Debütalbums "Zaba" (Caroline/Universal), weil er als Medizinstudent an Schlafstörungen litt und nachts mit dem Apple-Programm Garage Band herumspielte. Und auch wenn die Band bejubelt wird, liegt genau da vielleicht das Problem: Man kann ihre Musik prima hören, wenn's gerade mit dem Wegdösen nicht klappt - aber wer einen gesunden Schlaf hat, verpasst auch nicht so richtig viel.

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" Pearl Jam - 120 Live-Alben hinzugefügt" meldete iTunes dieser Tage auf der Startseite. Inflation? Größenwahn? Oder machen die alten Rocker aus Seattle alles richtig? Schließlich verkaufen sich CDs nicht mehr so gut wie früher, mit Spotify verdienen Musiker zu wenig, auf iTunes kommt immerhin ein bisschen was zusammen, aber da muss doch noch mehr gehen.

Also bietet die Band jetzt Konzertmitschnitte aus all ihren Schaffensperioden zum Download: das wütende Grunge-Gelärme der frühen Jahre, die pathetischen Hymnen der späten Neunziger, den Lederjacken-Rock der Gegenwart. Für eher aus der Distanz interessierte Hörer mäßig spannend, aber Fans können sich da stundenlang verlieren, Versionen vergleichen, ihren eigenen Konzertbesuch nachhören - und 9,99 Euro für jedes virtuelle Album zahlen.

Wenn das aufgeht, wird es viele Nachahmer finden. Könnte aber anstrengend werden - sollte Bruce Springsteen erst anfangen, seine Dreieinhalb-Stunden-Marathons aus vier Jahrzehnten zu verkaufen, könnten sogar die Apple-Server in die Knie gehen.

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Ein Nachtrag zum Schlagzeug-Duell zwischen Chad Smith und Will Ferrell, das in den vergangenen Tagen für Millionen von Youtube-Klicks sorgte. Der Komiker Ferrell, der dem Drummer der Red Hot Chili Peppers tatsächlich verblüffend ähnlich sieht, hatte vor einiger Zeit in einem Interview gescherzt, er sei in Wirklichkeit Smith, daraufhin forderte der ihn zum Kräftemessen heraus. In der "Tonight Show" setzten sich die beiden also hinter zwei Drumsets und spielten um die Wette (Smith) oder taten so, als ob, während jemand anders im Hintergrund spielte (Ferrell).

Guter Gag, gute Unterhaltung. Es lohnt sich aber, den Mitschnitt noch mal anzuklicken und dabei Smith genau auf die Finger zu schauen. Der arme Mann ist einer der Besten seines Fachs, kann im Alleingang ein ganzes Stadion voller Zuschauer zum Hüpfen bringen, aber ausgerechnet im Duell mit dem Showman Ferrell versagt er - als Showman.

Es lohnt sich, Chad Smith, dem Schlagzeuger der Red Hot Chili Peppers, auf die Finger zu schauen. (Foto: AFP)

Einmal will er den Drumstick in der Hand herumwirbeln, der alte Schlagzeugertrick, prompt fällt er ihm runter. Kurz darauf wirft er den Stick am Ende eines beeindruckenden Gewirbels in die Luft, schafft es aber nicht, ihn wieder aufzufangen. Es geht eigentlich um nichts, aber man sieht Smith an: Er ärgert sich richtig darüber. Ferrell sieht besser aus. Smith setzt auf sein Könnertum, Ferrell dagegen macht seine Unfähigkeit zum Witz. Und da zeigt sich mal wieder das ganze Geheimnis des Pop: Du musst nicht der Beste sein - du musst die beste Show liefern.

Spießig ist das neue crazy. Die Sängerin Lilly Allen, bekannt für smarten Pop und ausufernde Drogengeschichten, hat gerade in einem Interview erzählt: "Jetzt gilt die Regel, dass ich jeden Tag um 17 Uhr zu Hause bin, damit wir als Familie gemeinsam essen und dann die Kinder ins Bett bringen." Vor Jahren noch empfahl sie Jugendlichen, viele Drogen auszuprobieren und sich selbst ein Urteil zu bilden (Bild-Schlagzeile damals: "Pop-Göre schockt mit Gaga-Interview"). Das Schöne daran ist, dass Lilly Allen neben Pop-Glamour-Drogen-Irrsinn und Casting-Show-du-musst-es-nur-wollen-Kampfgeist einen dritten Weg aufzeigt: Platz eins der Charts (in England) und bürgerliches Familienidyll passen doch zusammen.

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© SZ vom 28.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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