Die besten Hotel-Filme:Bitte nicht stören

Ob "Shining" oder "Psycho": Hotels verleihen Filmen eine Magie zwischen Abenteuer und geschlossener Anstalt. Eine Filmreihe widmet sich den Korridoren der Lust.

Fritz Göttler

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Ob "Shining" oder "Psycho": Hotels verleihen Filmen eine Magie zwischen Abenteuer und geschlossener Anstalt - zu sehen in einer Filmreihe des Münchener Filmmuseums.Nur wenige Sekunden sieht man ihn, aber es ist einer der denkwürdigsten Orte der Kinogeschichte - ein Hotelkorridor in einem Psychothriller von 1964. Gutbürgerlich, aber ohne aufdringlichen Schnickschnack und übertriebenen Luxus-Touch, ein wenig eng vielleicht, durch ein Fenster im Hintergrund kann man die Stadt sehen. Eine Lady stöckelt hier entlang, neben ihr ächzt ein Page unter einem Stapel von Paketen und Tüten. Sie kommt vom Shoppen - und doch, das wird einem dann schnell klar, kann von Shoppen hier nicht wirklich die Rede sein. Als die Lady das Ende des Korridors erreicht, tut hinter ihr eine Tür sich auf, ein Mann tritt hervor, unruhig, verstohlen, jede Öffentlichkeit scheuend . . .Text: Fritz Göttler/SZ vom 15.07.2009/jederAudrey Hepburn in "Love In The Afternoon"/Foto: Filmmuseum MünchenDie Filmreihe "Von Hotels und Motels" im Filmmuseum München läuft noch bis zum 2. August.

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Wir erleben Tippi Hedren als Marnie in Hitchcocks gleichnamigem Film, und der Mann in der Tür ist natürlich der Meister selbst, der hier seinen obligatorischen Kurzauftritt absolviert. Ein phantastischer Kinomoment, surreal und subversiv, Hotel-Suspense pur. Alles ist da in diesen Sekunden, wozu Hotels gedacht sind und wovon man nie sprechen wird, das ganze Spektrum der Verheißungen und Drohungen, der Verfehlungen und Schuldgefühle, Laster und Exzesse und all der unerfüllten, unerfüllbaren Wünsche. Eine kleine tabufreie Zone, ein gespenstischer Moment - wie er das Jenseits hinter den geschlossenen Türen beschwört, die Phantomhaftigkeit bürgerlichen Lebens in Amerika. Die Magie, die große Hotels - nicht nur im Kino - zu schaffen vermögen, ist von Anfang an mit Schauder durchsetzt. Ein wahrhaft falsches Leben mitten im richtigen. Warhol hat den kleinen Marnie-Moment später zu seinem dreistündigen Film "Chelsea Girls" gedehnt, Stanley Kubrick hat ihn viele Jahre später furios ins Labyrinthische überdreht in "The Shining".Jack Nicholson in "Shining"/Foto: Filmmuseum München

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Hotel und Kino, eine Reihe, die gerade im Münchner Filmmuseum läuft, untersucht, wie die beiden sich zueinander verhalten. Alle Genres und alle Klassen sind hier vertreten, Luxushotel, Ferienhotel, Stundenhotel, Motel. Es geht primär nicht um die Geschichten, mit denen die diversen Hotels das Kino beliefern, ihre Sensationalität und ihre Dramaturgie, sondern darum, wie die Kamera mit der gebauten Wirklichkeit umgeht, sich von Architektur inspirieren und leiten lässt. Einer Wirklichkeit, die immer auch mit Schauwerten arbeitet, mit Effekten und Tricks und Täuscherei. Die deshalb auch ganz schnell herunterkommen, schäbig und rissig werden kann. Es geht in diesen Filmen von den großen Glamourpalästen in die billigen Absteigen, wo die Ausgeflippten und Aussteiger, die verfluchten Poeten und Junkies überwintern. Dort steigen europäische Filmemacher gern ab - Wim Wenders im "Million Dollar Hotel" - oder Amerikaner, die sich in der europäischen Tradition sehen, wie Jim Jarmusch in "Stranger than Paradise".Eszter Balint in "Stranger Than Paradise"/Foto: Filmmuseum München

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Einen eigenen Bezug zum Hotelwesen, irgendwie zwischen großem Stil und Bohème, haben die Mitglieder der Familie Coppola. Der Vater, Francis, hat sich mittlerweile selbst als Hotelier in Belize etabliert. Die Tochter Sofia hat mit "Lost in Translation" den ganz großen Hotelfilm der Neunziger gedreht - mit Scarlett Johansson und Bill Murray, der sich in seiner komischen splendid isolation im Park Hyatt Hotel in Tokio manchmal in der Pose eines resignativen shakespeareanischen Herrschers zeigt, der ans Abdanken denkt. Zurzeit dreht Sofia ihren neuen Film, im Hotel Chateau Marmont in Los Angeles. Dazwischen hat sie "Marie Antoinette" gedreht, was durchaus Sinn macht - der Hof von Versailles ist einer der Orte, von dem die spätere Repräsentationspracht des Bürgertums und seine Hotelvisionen ihren Ausgang nahmen. Die Coppolas haben Feudalismus auch im eigenen Lebensstil gewahrt, und ähnlich haben es auch die wichtigen Hollywoodianer gemacht, von Howard Hughes, der sich ins Beverly Hills verkroch, bis Warren Beatty, der im Beverly Wilshire hauste mit seinen diversen Filmplänen und Frauen.Bill Murray in "Lost in Translation"/Foto: Filmmuseum München

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Der Aufstieg der Hotelkultur geht eins in Amerika mit dem Aufstieg Hollywoods, die Hotelketten wachsen mit den Kinopalästen der großen Hollywoodstudios. Schon im 19. Jahrhundert ist das europäische Grand Hotel immer auch auf Inszenierung angelegt, als Schaubühne konzipiert, und César Ritz und seine Nachfolger waren grandiose metteurs en scène, ihre Arbeit kulminiert in den Rundum-Inszenierungen der Kulissenstadt Las Vegas: nichts als Fassade und Fake. Die Lichtspielhäuser werden dagegen dekadente, Art-déco-verzierte Paläste. Zwei Unterhaltungsindustrien, die dem pragmatisch-protestantischen Unternehmertum im Rest des Landes gegenübertreten mit ihrer Lust an der Verschwendung, von Material und Zeit. Stätten des reinen Zeitvertreibs.John Turturro (l.) und John Goodman in "Barton Fink"/Foto: Filmmuseum München

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Die Hotelmentalität sieht Frieda Grafe in ihrem weitläufigen Essay übers Grand Hotel - inklusive Filmhotelführer - als die eigentlich amerikanische Mentalität, sie beruft sich dabei auf Henry James: "Die riesige Karawanserei, das ist sein Ausdruck, mit ihren exorbitanten Strukturen ist für ihn Zeichen des amerikanischen Genius für Organisation und zugleich für eine Energie, die, um operativ zu werden, sich nicht auf Ziele fixiert; die immer nicht unbedingt das Bewusstsein, aber doch eine Ahnung ihres möglichen Niedergangs in sich trage." 1929 ist das alte Waldorf Astoria in New York, dem Henry James seine Erkenntnisse verdankt, abgerissen worden, an dieser Stelle entstand das Empire State Building, das schnell zum Symbol amerikanischer Dynamik wurde, als King Kong es für seinen letzten Kampf erkletterte.Richard Gere und Julia Roberts in "Pretty Woman"/Foto: Filmmuseum München

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Amerikanische Grand Hotels haben die Inspiration für die amerikanische Komödie geliefert, ihren Look und ihr Tempo geschaffen, und daraus ist der amerikanische Lifestyle geworden in den Dreißigern - elegant und dekadent, durchlässig und durchtrieben, very sophisticated. Leute aus Europa waren beteiligt, an der Spitze Stroheim aus Wien und Lubitsch aus Berlin mit ihren treuen Mitarbeitern, an ihrer Seite der uramerikanische Preston Sturges, der in Europas Museen sozialisiert wurde, und später ihr Schüler Billy Wilder, mit seinem Lieblingsausstatter Alexandre Trauner. Sie alle haben sich am wohlsten gefühlt, wenn sie Hotels als Schauplätze ihrer Filme hatten, Lubitsch in "Trouble in Paradise" und "Ninotchka", Sturges in seinem Drehbuch zu "Easy Living", und mit Billy Wilders Filmen könnte man einen Hotelführer bestücken: vom Pariser Ritz in "Love in the Afternoon", wo Gary Cooper sich instrumentieren lässt von Audrey Hepburn, übers ehrwürdige, gut hundert Jahre alte Hotel del Coronado auf einer Halbinsel bei San Diego, wo Tony Curtis und Jack Lemmon Marilyn Monroe verfolgen und dann von George Raft und seinen Mafialeuten gejagt werden, bis zum Pärchen-Paradies in "Avanti!" auf Ischia. Ein später Nachfahre dieser dynamischen sophistication ist der neue Bond, der Station macht im Luxus-Hotel Pupp in Karlsbad in "Casino Royale".James Mason und Sue Lyon in "Lolita"/Foto: Filmmuseum München

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Es ist ein merkwürdiges Ding mit der Dynamik der Dreißiger, eine überdrehte Variante des "Nichts geht mehr", in der viel auf der Stelle getreten wird - am meisten geht noch voran, wenn Fred Astaire in "Gay Divorcee" zu tanzen beginnt, durch die Säle und Zimmerfluchten. Im Klassiker des Genres, "Grand Hotel" von Edmund Goulding, nach Vicki Baums Roman, wird dagegen die absolute Stagnation beschworen, in einer Lebewelt, in der alles vibriert und Rausch und Chaos werden möchte. "Grand Hotel. People come and go. Nothing ever happens . . .", sagt der alte Arzt, der kommentierend das Geschehen begleitet, zu Beginn von "Grand Hotel". Hier tummeln sich die beiden großen Gruppen des Hotelfilms, krisengeschüttelte Unternehmer und dubiose Gestalten, die mit ihrer persönlichen permanenten Existenzkrise leben - Hochstapler, Fassadenkletterer, Künstler. Und Garbo, als Tänzerin Grusinskaja, jammert ausgerechnet im Mittelpunkt moderner Umtriebigkeit ihr pathetisches "I want to be alone!"Charles Ruggles und Kay Francis (Mitte) in "Trouble In Paradise"/Foto: Filmmuseum München

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Nein, vom Individuum ist nicht viel geblieben in diesem Film von 1932, die ganze verrückte Instabilität der modernen Gesellschaft ist offenkundig geworden. Die Roaring Twenties sind vorbei, die Inflation bestimmt die Stimmung. Das Hotel ist der Umschlagplatz für schnelle Geschäfte, in denen es um Geld geht und um Gefühle. Das ist die andere Seite des Zeitvertreibs - Entfremdung und Exilstimmung, Fluchtversuche statt Aufbruchstimmung, Unbehaustheit und ein Unbehagen angesichts der neuen Mobilität, die die Gesellschaften der Zukunft bestimmen wird, angefangen mit dem drohenden Krieg. Grand Hotel Abgrund."Hôtel Du Nord"/Foto: Filmmuseum München

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Nothing ever happens . . . Was als Transitraum gedacht war, als Zeichen der Unabhängigkeit und zur Befriedigung der Reise- und Erlebnislust, wird Gefängnis, geschlossene Anstalt, Labyrinth. Ein Gefühl von Abschied und Endzeit. Das legendäre Hotel Des Bains am Lido wird von Gustav von Aschenbach aufgesucht zum Liebestod, in Viscontis "Tod in Venedig", die weibliche Entsprechung dazu liefert Julianne Moore in "The Hours". In "Psycho" hat Hitchcock virtuos die Nähe des Todes in seinen Bildern spüren lassen, wenn der Regen die Geschichte abbremst, die narrative Weiterfahrt unmöglich macht, Janet Leigh abdrängt ins Motel am Straßenrand. Nur ein paar Jahre trennen diesen Film von Bergmans "Schweigen".John Gavin und Janet Leigh in "Psycho"/Foto: Filmmuseum München

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Mit Hitchcock könnte man, wie mit Wilder, eine eigene Filmhotelhistorie konzipieren - er hat sich in Amerika nie wohl, geschweige denn heimisch gefühlt. Auch seine Helden sind im Innersten Unbehauste, und sicher können die Hotels, die sie aufsuchen, ihnen keinen Heimat-Ersatz bieten: Kim Novak, die im grünlichen Licht, mit dem die Leuchtschrift draußen ihr Zimmer überzieht, geisterhaft wiedergeboren wird unter den Augen von James Stewart in "Vertigo". Cary Grant, der am helllichten Tag entführt wird in der Lobby des Plaza in New York in "North by Northwest". Auch Tippi Hedren nutzt ihr Zimmer in "Marnie" nur, um sich zu verwandeln, ihre alte Existenz in den einen, eine neue in den anderen Koffer zu packen.Die Filmreihe "Von Hotels und Motels" im Filmmuseum München läuft noch bis zum 2. August."Le Rouge aux Lèvres"/Foto: Filmmuseum München

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