Diane Kruger im Interview:"Im Fernsehen gibt es die interessanteren Jobs"

Diane Kruger The Bridge

Diane Kruger bei der Premiere der zweiten Staffel von "The Bridge" in Los Angeles.

(Foto: AP)

In der Krimiserie "The Bridge" spielt Diane Kruger eine Polizistin mit Asperger-Syndrom. Nicht nur deshalb war die Rolle eine Herausforderung. Ein Gespräch darüber, warum das Fernsehen gerade für Schauspielerinnen attraktiver geworden ist als das Kino.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

In der Thriller-Serie The Bridge - America (so der deutsche Titel) spielt Diane Kruger die Polizistin Sonya Cross, die am Asperger-Syndrom leidet - einer besonderen Form von Autismus. Im Beruf kann sie dadurch Zusammenhänge erkennen, die sich anderen nicht erschließen, allerdings sind ihre sozialen Kompetenzen extrem eingeschränkt. Die im Titel erwähnte Brücke ist die Straße über den Rio Grande zwischen dem texanischen El Paso und Ciudad Juárez im mexikanischen Bundesstaat Chihuahua. In den zahlreichen Lastwagen, die sie passieren, werden unter anderem illegale Einwanderer, Drogen, Waffen und vor allem ganz viel Geld transportiert - das zumindest suggeriert der Trailer zur zweiten Staffel, die in Deutschland von 10. Juli an auf Fox zu sehen ist.

SZ: Frau Kruger, Ihre Figur leidet am Asperger-Syndrom. Sie will im Alltag nicht berührt werden, hat aber andererseits einen überaus direkten Zugang zu Sexualität - was ihr viel Macht verleiht ...

Diane Kruger: Das war für mich eher beängstigend. Ich habe noch nie eine Figur verkörpert, die derart offen mit ihrer Sexualität umgeht, und dementsprechend solche Szenen noch nicht oft gespielt. Es ist mittlerweile aber auch befreiend - und ich fühle mich als Frau auch ein bisschen mächtig, weil solche Rollen normalerweise Männern vorbehalten sind.

Sich in einen Menschen mit Asperger-Syndrom zu versetzen ist das eine. Aber das über möglicherweise mehrere Spielzeiten hinweg durchzuhalten - wie bereitet man sich darauf vor?

Es ist wie ein Marathon, 13 Folgen pro Staffel bedeuten viereinhalb Monate Drehzeit. Nun sind wir mit der zweiten Staffel fast fertig, ich freue mich jetzt aufs Ende.

Aber macht es nicht Spaß, in eine Rolle derart eintauchen zu können?

Absolut. Es ist gut zu wissen, dass man so viele Folgen lang Zeit hat, um eine Rolle in ihrer Tiefe erleben zu können. Das ist bei einem Film mit 90 Minuten nicht möglich.

Die Regisseure Steven Soderbergh und Paul Feig beschwerten sich kürzlich recht heftig darüber, dass es im Kino kaum noch interessante Rollen für Frauen gebe.

Aus diesem Grund wollen so viele Schauspielerinnen ins Fernsehen. Es ist das einzige Medium, in dem Charakterrollen für Frauen geschrieben werden. Das könnte daran liegen, dass Leute ins Kino gehen, um dort Superhelden zu sehen. Frauen sind dabei immer nur Beigabe, zumindest im amerikanischen Film. Das ist tatsächlich eine Katastrophe.

War das auch für Sie der Grund, eine Rolle in einer Serie anzunehmen?

Ich bin Schauspielerin geworden, um komplizierte Rollen zu spielen, die mich fordern. Aber die großen Studios machen solche Dramen nicht mehr. Im Fernsehen gibt es derzeit die interessanteren Jobs. Es ist eine aufregende Zeit, sowohl für Schauspieler als auch für Autoren und Regisseure.

Müssen Schauspieler heutzutage zum Fernsehen, wenn sie herausfordernde Rollen spielen wollen?

Auf jeden Fall! Das sehen Sie ja an Matthew McConaughey (True Detective) oder Kevin Spacey (House of Cards). Es gibt derzeit kaum eine Serie, in der keine Kinostars mitmachen wollen.

"Das Publikum sieht anders fern als früher"

Zeit zur Entwicklung von Dramaturgie und Charakteren allein kann es aber nicht sein, was Fernsehen derzeit so faszinierend macht - die hatte man vor 15 bis 20 Jahren auch. Warum funktioniert es gerade jetzt?

Das Angebot ist vielfältiger geworden. Es gibt mutige Kabelsender oder auch Plattformen wie Netflix und Amazon, die Geld investieren und für eine Staffel 50 Millionen Dollar ausgeben. Dadurch bekommt man die guten Regisseure oder auch Schauspieler, die früher nur Kino gemacht haben. Zudem ist das Publikum anspruchsvoller geworden: Es sieht anders fern als früher.

Die Zuschauer müssen nicht mehr ansehen, was ihnen vorgesetzt wird ...

Ich jedenfalls bin als Zuschauer sehr viel anspruchsvoller geworden. Zum Beispiel Serien wie "CSI" kann ich nicht mehr sehen, auch wenn sie weiterhin sehr populär ist. Aber jede Woche ein neues Monster, ein neuer Fall, der am Ende gelöst wird? Dann lieber eine Serie wie "House of Cards", bei der man aufpassen muss, um nichts zu verpassen.

Warum gibt es diese Stoffe kaum noch auf der großen Leinwand?

Die Leute, die ins Kino gehen, sind Teenager - und die wollen ein Spektakel sehen. Dazu zähle ich mich übrigens auch: Ich habe "Spiderman" auch in einem großen 3-D-Kino gesehen. Aber wenn ich etwas Anspruchsvolles sehen möchte, bleibe ich mit einer Fernsehserie zu Hause auf der Couch.

Warum denkt Hollywood dann nicht um, wenn ihm das Fernsehen doch gerade präsentiert, was die Menschen sehen möchten?

Ich glaube, das sehen Sie aus der falschen Perspektive. Die Menschen, die anspruchsvolle Serien sehen wollen, können nicht jeden Abend ins Kino gehen. Sie haben Jobs, Familie, Kinder und wollen abends zu Hause anspruchsvoll unterhalten werden. Der typische Kinogänger dagegen ist jünger, meist noch nicht berufstätig, und will am Wochenende ein Spektakel erleben. Darauf setzen die Studios, sie machen riesige Filme und Event-Kino. Steven Spielberg sagte kürzlich, dass dieser Trend noch extremer werden wird in der Zukunft: Irgendwann wird ein Ticket 30 Dollar kosten, weil "Godzilla" in 3-D zum Erlebnis wird. Und Anspruchsvolles läuft im Fernsehen oder im Netz.

Also sind wir als Zuschauer letztlich selbst schuld, indem wir bestimmen, was wir sehen wollen oder wofür wir unser Geld an der Kinokasse ausgeben ...

Vollkommen.

Jetzt, wo Sie jemanden spielen wie Sonya Cross in The Bridge: Wie leicht wird es Ihnen fallen, wieder einen Hollywood-Blockbuster zu drehen?

Es wird weiterhin schwer sein, gute Rollen zu finden. Aber dadurch, dass ich fünf Monate im Jahr diese interessante Rolle spielen darf, habe ich nicht mehr den Druck, unbedingt etwas finden zu müssen.

Also bleiben Sie der Serie treu?

Mal sehen, wie die zweite Staffel ankommt. Ich will mich nicht so weit in die Zukunft projizieren. Aber nur drehen, um zu drehen, und dabei nichts Gutes zu machen, wäre das Schlimmste für mich.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: