Es gibt wohl keinen Roman, der Gender-Debatten mit solch klarsichtigem Selbstbewusstsein vorwegnahm wie Virginia Woolfs "Orlando". "You are the pink and pomp of perfection", zu diesem Lob lässt sich der Erzherzog Harry hinreißen, als er seiner Angebeteten Orlando einen Heiratsantrag macht. Es lässt sich nicht so leicht übersetzen. "Das Gelbe vom Ei" wäre viel zu tief gestapelt und viel zu profan. Verliebt hatte er sich in Orlando beim Anblick eines Porträts von ihr, auf dem sie noch als Mann zu sehen war. Daraufhin verkleidet Harry sich als Frau und gibt sich als Erzherzogin Harriet aus, um Orlando zu täuschen. Das gelingt auch, aber Orlando erkennt bald, dass die Gefühle, die er für die Erzherzogin hegte, Lust und nicht Liebe waren, und flieht als englischer Botschafter nach Konstantinopel. Dort verwandelte er sich in einem langen Schlaf in eine Frau. Nun kann Harry als Mann Orlando als Frau den Hof machen. Das Werk erschien 1928, zehn Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts in Großbritannien und rund 40 Jahre bevor Homosexualität in England legalisiert wurde.
Theaterstück "Orlando":Emma Corrin ist die perfekte Besetzung
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Der nonbinäre Star war eine fantastische Lady Diana in "The Crown" und ist jetzt in London im Gendertrouble-Stück "Orlando" zu sehen.
Von Alexander Menden
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