Deutschland:Enttarnt

Die Pegidisten skandieren jeden Montag ihre Parolen. Manches ist offensichtlich, manches aber schwer zu entschlüsseln. Ein Lexikon hilft bei der Analyse rechtsextremer Kampfbegriffe und stellt Gegenargumente bereit.

Von Robert Probst

Auf der einen Seite wird oft nur noch gebrüllt und skandiert, auf der anderen Seite herrscht nicht selten eine fast schon verzweifelte Sprachlosigkeit. Die Montagsdemos von Pegida, Wutmärsche sogenannter Hooligans gegen Salafisten, die Pöbeleien von Heidenau und Clausnitz und nicht zuletzt die Flut von Hassbeiträgen im Internet - sie alle haben in den vergangenen Monaten Aufsehen und Empörung verursacht. Die Kommunikation verläuft dabei meist einseitig, die einen werfen mit Parolen und Kampfbegriffen um sich, die anderen kontern schlimmstenfalls, wer solcherlei verbreite, müsse zum "Pack" gehören.

Besser wäre es freilich, sich intensiv mit diesen Begriffen, die Andersdenkende stets mit gezielter Provokation abqualifizieren sollen, auseinanderzusetzen, sie zu verstehen und dann vielleicht dagegen zu argumentieren. Eine gute Hilfe dafür ist das jüngst erschienene "Handwörterbuch rechtsextremer Kampfbegriffe". Der Band ist Ergebnis eines Kooperationsprojekts zwischen dem Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung und dem Forschungsschwerpunkt Rechtsextremismus/Neonazismus an der Hochschule Düsseldorf. Mehrere, meist jüngere, Politologen, Historiker und Soziologen haben sich zur Aufgabe gemacht, diverse Begriffe aus der rechtspopulistischen und rechtsextremen Propaganda zu untersuchen und auseinanderzunehmen. Das Spektrum reicht dabei von offensichtlichen Kampfbegriffen wie "Schuld-Kult" und "Umvolkung" über "Islamisierung" und "Dekadenz" bis hin zu vermeintlich aufs Gemeinwohl zielenden Wörtern wie "Demokratie" oder "Freiheit". Gerade diesen ummantelten Begriffen die Tarnung zu entreißen - darin besteht das Verdienst dieses Wörterbuchs. Etwa beim üppig in Gebrauch stehenden "Abendland" lässt sich studieren, wie ein offenbar harmloser Begriff für Partikularinteressen und gegen bestimmte Menschengruppen eingesetzt wird. Auf knappem Raum, aber erstaunlich differenziert und gut lesbar, werden die Begriffe auf Entstehung, Kontext und Ziele der Rechten abgeklopft und analysiert. Ein Nachschlagewerk für alle, die nicht schweigen wollen.

Doch das Wörterbuch, so ist zu befürchten, wird weitere Kampfbegriffe aufnehmen müssen, sollte es in mehreren Auflagen erscheinen. Jüngst (wieder) dazugekommen ist etwa die "Lügenpresse" und der "Gutmensch", letzteres passenderweise als Unwort des Jahres 2015.

Bente Gießelmann, Robin Heun, Benjamin Kerst, Lenard Suermann, Fabian Virchow (Hrsg.): Handwörterbuch rechtsextremer Kampfbegriffe. Wochenschau-Verlag Schwalbach 2016, 354 Seiten, 24,80 Euro. E-Book 19,99 Euro.

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