Deutsches Theater Berlin:Gummistrippenzieher

Der Menschenfeind

Der rigorose Menschenfeind hat eine Schwäche, und die heißt Célimène: Ulrich Matthes und Franzsika Machens in der Berliner Inszenierung von Anne Lenk.

(Foto: Arno Declair)

"Ich könnt' die ganze Welt erschlagen": Ulrich Matthes hält am Deutschen Theater Berlin die Moral hoch in Molières Komödie "Der Menschenfeind".

Von Peter Laudenbach

Herr Alceste ist verstimmt. Er hat gesehen, wie sein Freund, Herr Philinte, freundlich zu einem Fremden war, ihn gar einen Freund nannte. Was für eine Unaufrichtigkeit! Welch ein Abgrund von Heuchelei! Alceste hat nur noch einen Wunsch: "Lassen Sie mich allein!" Und einen letzten Ratschlag: "Sie müssten längst vor Scham gestorben sein." Herr Alceste, ein Fundamentalist des Authentischen und eine empfindliche Seele, sieht in jeder Höflichkeit nur eine unverschämte Lüge. Er pflegt strenge Moralvorstellungen und den Glauben, dass es in den gediegenen Salons, in denen er seine Tage verbringt, eigentlich nur einen gibt, der seinen anspruchsvollen Maßstäben gerecht wird: er selbst. Der Moralist glaubt, dass er seine Mitmenschen kennt. Kein Wunder, dass er sie hasst - sie sind "kaum zu ertragen, ich könnt' die ganze Welt erschlagen."

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