Von Marcel Reich-Ranicki mag man halten, was man will. Aber das YouTube-Video seiner Nein-Danke-Rede haben am Tag nach der Ausstrahlung Zigtausende angeklickt.
Der Literatur- und neuerdings auch Fernsehkritiker hat also nicht nur dem ZDF einen quotenbringenden Aufreger beschwert, sondern offenbar auch einen Nerv getroffen. SZ-Redakteure schreiben über liebens- und hassenswerte Formate im deutschen Fernsehen.
Am Gletscher
Fernsehen ist was Wunderbares. Man muss nur den Kasten zum richtigen Zeitpunkt an- oder ausschalten. Zum Beispiel am vergangenen Sonntagabend, im ZDF. Bloß nicht warten bis 20.15 Uhr, bis zur Aufzeichnung des sogenannten Reich-Ranicki-Eklats! Blöde Promis und ein Uraltquerulant, den Krach will ich nicht sehen!
Aber die Sendung davor, Terra X, war wieder einmal unvergesslich gut. Mit Thomas Reiter zu den Gletschern der Erde. Neben Fußball und Biathlon ist mir das Winterfernsehen das liebste: Bilder vom leuchtenden Eis, vom Nordpol und Südpol, aus Island und vom Matterhorn.
Der Winter ist von allen Naturschönheiten die schönste, und wer ihn im Fernsehen bereist, kriegt keine kalten Füße. Der ist im selben Moment daheim und am Ende der Welt. Der sieht, zugleich glücklich und schaudernd, Bilder aus der weißen Ewigkeit - und hat hernach kein Interesse mehr an den faden Neuigkeiten und kleinen Skandalen des Tages.
Der Gletscher schmilzt, die Erde hat mich wieder!
Fazit: Zauberhaft. Benjamin Henrichs
Text: Süddeutsche Zeitung vom 14.10.08 Foto: Nasse Füße nicht ausgeschlossen: Ein Bergsteiger steigt den Ochsentaler Gletscher am Fuße des Piz Buin im Tiroler Silvretta-Gebirge hinab, dpa.