Deutscher Herbst:Die Sekte der "Märtyrer"

Petra Terhoeven zerlegt die Mythen, die noch immer um die RAF wabern, und zeigt die Verbindungen von Baader und Co zum internationalen linken Terrorismus auf.

Von Robert Probst

Die Erinnerung an den "Deutschen Herbst" hat auch nach 40 Jahren nicht viel an Intensität eingebüßt; die damalige Mordserie entfaltet auch heute noch ihre "morbide Faszination". Letztlich ging es aber um 60 bis 80 Personen im Untergrund, 26 von ihnen bekamen lebenslängliche Haftstrafen. Die Bedrohung der Republik durch den Linksterrorismus war im Nachhinein betrachtet überschaubar. Doch der Mythos RAF weht noch immer umher, wenn auch schwächer als in früheren Zeiten. Wer stattdessen lieber Fakten und Ursachenzusammenhänge erklärt bekommen möchte, der greife zum schmalen Band "Die Rote Armee Fraktion" von Petra Terhoeven.

Die Professorin für Europäische Kultur- und Zeitgeschichte an der Universität Göttingen hat einen präzisen Überblick von den Anfänge der linken Studentenbewegung über die kruden Gewaltrechtfertigungen einer "terroristischen Sekte" bis hin zu deren medialer Nachwirkung vorgelegt. Da fehlen zwar viele Details für die Kenner, doch der Fokus liegt hier auf der Einordnung und der scharfen Bewertung. Besonders spannend sind die Verbindungen der RAF zu den Roten Brigaden in Italien oder der Action directe in Frankreich, hierzu hat Terhoeven vor drei Jahren eine große Studie vorgelegt ("Deutscher Herbst in Europa. Der Linksterrorismus der siebziger Jahre als transnationales Phänomen"), von der der kleine Band nun sehr profitiert.

Trotz der geringen Seitenzahl gibt es hier keine Simplifizierungen, die "Ursachenbündel", die den Terrorismus ermöglichten, werden klar benannt. Es wird erklärt, wie die Union die Gefahr dramatisierte, um wieder an die Macht zu kommen, es wird dargelegt, wie die Anwälte durch Opfergeschichten Solidarität mobilisierten und wie - immer noch - die Märtyrerhaltung der Täter die Geschichten der Opfer überdeckt.

Petra Terhoeven: Die Rote Armee Fraktion. Eine Geschichte terroristischer Gewalt. Verlag C.H. Beck München 2017. 124 Seiten, 9,90 Euro. E-Book: 7,99 Euro

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