Deutscher Filmpreis:Junge, Junge

Tom Schilling und Oh Boy sind die großen Gewinner beim Deutschen Filmpreis Lola in Berlin

Tom Schilling und "Oh Boy" waren die großen Gewinner in Berlin

(Foto: dpa)

Mini-Budget schlägt teuersten deutschen Film aller Zeiten: Mit "Oh Boy" setzt sich beim Deutschen Filmpreis völlig zu recht ein kleiner, äußerst feiner Film gegen Tom Tykwers Hollywood-Kino "Cloud Atlas" durch. Auch die Verleihung ist immer noch wenig amerikanisch.

Von Ruth Schneeberger, Berlin

Michael Gwisdek hätte es fast auf den Punkt gebracht, wenn er nicht zum ausladenden Fabulieren neigen würde. Der 71-jährige Schauspieler gewinnt beim Deutschen Filmpreis im Berliner Friedrichstadtpalast am Freitagabend die Nebenrollen-Lola für seine eindrückliche Rolle des gealterten Anti-Helden in dem Film "Oh Boy".

Er konkurriert in dieser Kategorie ausgerechnet mit seinem eigenen Sohn Robert, ebenfalls Schauspieler, aus dem Film "Das Wochenende". Und erzählt dem geneigten Publikum mit feinster Berliner Schnauze, wie ihm sein Sohn in diesem Fall unerwartet zum Durchbruch verholfen habe:

Bei einem Wett-Spielen mit dem Sohnemann, so Michael Gwisdek, habe er sich einst "die Seele aus dem Arsch gespielt - und ich fand mich großartig". Doch Robert Gwisdek habe nur gesagt: "Das war so gespielt. Ich habe es Dir nicht geglaubt." Weil dieser Satz der schlimmste sei, den ein Schauspieler je zu hören bekommen könne, habe er beim Dreh mit Tom Schilling zu Jan Ole Gersters Regie-Debüt "Oh Boy" den Rat des Juniors umgesetzt, der da lautete: "Papa, versuch doch mal, nicht nur zu spielen, sondern denk doch mal nach. Und wenn du den Text begriffen hast - dann sag ihn einfach." Und - "peng", so Michael Gwsidek", habe er nun eine Lola dafür gewonnen. Und nicht sein Sohn.

Ähnlich äußert sich Tom Schilling, stolzer Gewinner der Hauptrollen-Lola, ebenfalls für den Film "Oh Boy". Ein Freund habe ihm attestiert, dieser sei sein bester Film - wohl auch deshalb, weil er "nicht so gespielt" habe wie sonst - sondern die Dinge einfach laufen ließ. Nun sollte man bedenken: Nicht jeder, der es einfach laufen lässt, liefert damit gleichzeitig eine großartige Rolle ab. Diese beiden aber schon.

"Oh Boy" ist der große Abräumer des Abends beim Deutschen Filmpreis. Das war nicht unbedingt zu erwarten. Noch größere Chancen wurden dem Tom Tykwerschen Fantasy-Epos "Cloud Atlas" eingeräumt, dem teuersten deutschen Film aller Zeiten. Beziehungsweise: dem teuersten Film aller Zeiten mit deutscher Beteiligung.

Halle Berry, Tom Hanks und weitere Hollywood-Größen waren durchaus nicht zu deutschen Preisen wie "100 Euro pro Drehtag" zu haben, wie sie Jan Ole Gerster für "Oh Boy" seiner Crew zahlte, wie er auf der Bühne erzählte. Dem Regie-Neuling war die Rührung spätestens nach der dritten Lola-Auszeichnung auf der Bühne deutlich anzusehen.

Sieg über scheinbar übermächtige Konkurrenz

"Das ist einer zu viel", stammelte er, als sein Film nach dem Preis für die beste Filmmusik, die beste männliche Nebenrolle, die beste männliche Hauptrolle und das beste Drehbuch auch noch die Lola für die beste Regie und für den besten Spielfilm des Jahres ausgezeichnet wurde.

Filmtipp "Oh Boy"

Tom Schilling im preisgekrönten Film "Oh Boy" von Jan Ole Gerster.

(Foto: X-Verleih)

Doch zu viel war das mitnichten. Denn der Film, und allen voran Tom Schilling in der Hauptrolle, gehören in der Tat zu den ganz großen Durchbrüchen des Jahres, so zurückhaltend und fein und mit leisem Humor beide ausgezeichnet sind. "Cloud Atlas" hingegen gewann immerhin die Preise für die beste Kamera, den besten Schnitt, das beste Szenenbild, das beste Kostümbild und das beste Maskenbild.

Der Rest war auch diesmal nicht Schweiger, obwohl der traditionell zu seinem großen Ärgernis vom deutschen Filmpreis verschmähte Til diesmal sogar nominiert war - für den Publikumspreis. Den ihm dann sein ihm in der Publikumsgunst jetzt nacheifernde Jungkollege Matthias Schweighöfer vor der Nase wegschnappte mit dem Film "Der Schlussmacher".

Große Freude über den Sieg über die scheinbar übermächtige Konkurrenz (die Kritiker-Lieblinge Martina Gedeck und Birgit Minichmayr waren ebenfalls nominiert) zeigte auch die weibliche Hauptrollen-Siegerin, Barbara Sukowa für ihre Darstellung in "Hannah Arendt". "Was ein solcher Preis mir bedeutet, können wohl nur die Älteren hier im Saal erahnen", spielte sie gerührt auch auf die Tatsache an, dass sowohl in Filmen als auch bei Preisen ältere Schauspielerinnen traditionell eher schlecht besetzt werden.

Diesem Umstand trug die Jury wohl auch mit der Auszeichnung der besten weiblichen Nebenrolle Rechnung und zeichnete Christine Schorn für ihre Rolle in "Das Leben ist nichts für Feiglinge" aus. "Schon wieder die Oma spielen, schon wieder Tod", habe sie sich gedacht, als sie die Rolle übernommen habe, so Schorn in ihrer launigen Dankesrede. Doch ihre Agentin habe sie zum Mitmachen überredet.

Es waren unter anderem erhellende und angenehm persönliche Reden wie diese, die dem Abend allerdings zur erheblicher Überlänge verhalfen. Wie das ZDF es geschafft hat, die Veranstaltung, die anderthalb Stunden länger dauerte als veranschlagt, nur eine viertel Stunde später schon erheblich gekürzt zeitversetzt auf den Bildschirm zu übertragen, gehört zu den Geheimnissen des Fernsehens. Allein die Verleihung des Ehrenpreises an Werner Herzog schien Akademiepräsidentin Iris Berben eine solche Herzensangelegenheit zu sein, dass schon die Lobrede auf ihn eine Abendveranstaltung hätte füllen können.

Doch insgesamt war die Verleihung - trotz Überlänge - bei weitem nicht so langweilig wie in früheren Jahren. Weniger getragen, weitaus weniger steif, lebendiger, herzlicher, menschlicher, spontaner und sogar fröhlicher war sie über weite Strecken - unter anderem dank Laudatorin Annette Frier, die dem deutschen Film(preis) bescheinigte, er sei eben nicht so wie der amerikanische, und das sei auch gut so. Recht hat sie.

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