Prachtvoll verfallende Blumenarrangements setzen schon unter dem Vorspann den Grundton. In einer düsteren Wohnhöhle schlummert Juri (Noah Saavedra) zwischen zerwühlten Decken. Ein Rabe setzt sich auf seine Brust und hackt kleine Stückchen Fleisch aus seiner Brust. Der junge Mann schreckt aus dem Albtraum auf - so jung er auch sein mag, sein hypochondrisches Gemüt versetzt ihn in Angst. Etwas später stolpert er in eine finstere Halbweltkneipe voller Spielautomaten und begegnet dort dem leibhaftigen Tod in der Gestalt eines hageren, verlebten Mannes (Marko Mandic), der ihm sein Ende ankündigt und ihm rät, vorher noch etwas zu erleben - und zum Sterben einen schöneren Ort zu finden.
So beginnt ein rauschhafter Trip durchs nächtliche Berlin, fern der bekannten Wahrzeichen, umso tiefer verwurzelt im Lebensgefühl der Stadt. Einsame Unterführungen, eine neonleuchtende Tankstelle, ein Kronleuchterladen mit Treibhaus im Souterrain, russisches Roulette auf der Kartbahn, ein trauriges Mädchen (Vanessa Loibl) in der Peepshow sind nur einige Stationen der Reise. In seinem Kinodebüt schwelgt Xaver Böhm, der als Zeichner unter dem Künstlernamen Xaver Xylophon arbeitet, zusammen mit seiner Kamerafrau Jieun Yi in Bildern von malerisch morbider Sinnlichkeit. Die visuelle Opulenz verrät die Herkunft des Regisseurs aus der Comicszene, die immer wieder eingestreuten Vanitas-Gemälde mit üppigen Blumenarrangements, in denen Insekten und Reptilien nisten, drosseln die Geschichte, lassen sie gelegentlich in zeitloser Schönheit verharren.
Die mutigen Produzenten der Berliner Firma Komplizen Film, Maren Ade, Janine Jankowski und Jonas Dornbach, haben dem Regiedebütanten volle künstlerische Freiheit im Umgang mit seinem Zwei-Millionen-Euro-Budget gewährt. Jetzt kommt der Film in zwei Fassungen ins Kino, wahlweise in kontrastreichem Schwarzweiß oder düster neonglühenden Farben.
O Beautiful Night, D 2019 - Regie: Xaver Böhm. Buch: Ariana Berndl, Böhm. Mit: Marko Mandic, Noah Saavedra, Vanessa Loibl. NFP, 86 Minuten.