Deutscher Alltag:Politische Sumpfköpfe

In Meck-Pomm haben irgendwelche Mitglieder der Linkspartei die Meinung geäußert, der Mauerbau vor 50 Jahren sei gewissermaßen alternativlos gewesen. Das Sumpfkopfwesen ist aber auch anderswo recht weit verbreitet. Und vielleicht ist man denen vor Jahr und Tag schon einmal begegnet.

Kurt Kister

Irgendwelche Linke in Meck-Pomm, also nicht wirkliche Linke, sondern nur Mitglieder der Partei Die Linke, haben die Meinung geäußert, der Mauerbau vor 50 Jahren sei gewissermaßen alternativlos gewesen. Nein, es soll hier gar nicht darüber genölt werden, dass es auch in der Linkspartei jede Menge Sumpfköpfe gibt, was natürlich nur politisch und nicht persönlich gemeint ist.

Berliner Mauer vor dem Brandenburger Tor, 1984

Achtung Zone: 1984 wurde der Westberliner Bürger noch vor der Grenzüberschreitung in die DDR gewarnt.

(Foto: dpa)

Auch in anderen Parteien ist das Sumpfkopfwesen verbreitet, was man an so unterschiedlichen Persönlichkeiten wie Alexander Dobrindt, Wolfgang Kubicki oder Ralf Stegner sehen kann. Zweitens würde Nölen über die PDS möglicherweise zu diversen neuen Interviews von Gesine Lötzsch und Klaus Ernst führen, bei deren Auftritten man sich sogar als grundsätzlich liberaler Mensch Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zurückwünscht oder wenigstens Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine. Drittens gibt es Sumpfköpfe nicht nur in Parteien, sondern auch in Vereinen, Firmen und sogar in Zeitungsredaktionen, obwohl die relativ selten die Mauer rechtfertigen.

Vielleicht ist man ja vor Jahr und Tag manch einem von denen, die heute ergraut, aber glaubensfest in der Linkspartei den antifaschistischen Schutzwall (oder zumindest ihre Biographie) verteidigen, schon mal begegnet. Irgendwo muss die Frau Unterleutnant, die einem am Grenzübergang von Berlin-Ost nach Berlin-West zwei Bücher abgenommen hat, doch abgeblieben sein. Oder jener graubehemdete Herr, der bei Hirschberg das Herausheben der Autorückbank verlangte, aber keineswegs dabei half.

Gewiss, das sind die kleinen persönlichen Erfahrungen, die eigentlich verblassen sollten vor der ziemlich großen Tragödie, die am 13. August 1961 begann. Aber so wenig sich viele Jüngere heute vorstellen können, dass da wirklich mal eine Mauer mit Stacheldraht und Minen durch Deutschland ging, so deutlich bleiben bei den Älteren gerade die persönlichen Erinnerungen, die vermeintlichen Kleinigkeiten.

Seltsam, dass man einen großen Teil seines bewussten Lebens mit der Mauer verbracht hat und sie während dieser ganzen Zeit eben nicht als das drängendste Problem in Deutschland oder gar im eigenen Leben empfand. Zwar stritt man heftig über Atomkraftwerke, Raketen oder das Erbe der Nazis, hatte sich aber mit der Gefängnisgrenze zwischen DDR und Bundesrepublik ganz gut arrangiert. Man hielt es mit Egon Bahr und dem Wandel durch Annäherung, den man nie als Appeasement verstanden haben wollte. Dennoch versteckte man im Paket nach Erfurt einen Otto-Katalog, der sogar ankam und der den Freunden drüben zeigte, was sie alles nicht haben konnten. Den Katalog wollten sie trotzdem haben.

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