Süddeutsche Zeitung

Deutscher Alltag:Plündern ist pfui

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Das Plündern speziell im Ägyptischen Museum ist ganz übel und sollte niemals vorkommen. Weshalb Rechtsanwälte und Zahnärzte auch eher zum Übervorteilen oder Einsacken neigen.

Kurt Kister

Im Menschen wohnen bekanntlich die verschiedenartigsten Bedürfnisse, Triebe und Gelüste. Über manche sollte man mit seinem Partner sprechen, andere bleiben dem Therapeuten vorbehalten und wieder andere verschließt man am besten tief in der Brust. Es sei denn, es ergibt sich mal eine Gelegenheit, sie gefahrlos für andere und sich selbst auszuleben. Zum Beispiel ist es zwar verwerflich, aber gerade noch tragbar, wenn man nachts mal an das Auto des bösen Nachbarn bieselt, der einen tagsüber immer mit dem Heimwerkerlärm nervt. Anderes sollte man tunlichst unterlassen, zum Beispiel das Plündern.

Man darf ziemlich sicher annehmen, dass wesentlich mehr Menschen gerne mal einen Laden plündern würden, als sie dies gemeinhin zugeben. Könnte man zum Beispiel, und sei es als Teil einer Hunnenhorde, in einen dieser Elektromärkte eindringen, würde man sich gerne einen sinnlos riesigen Fernseher greifen, einen MP3-Spieler, der sich ultimativ viel Musik merken kann und außerdem noch so ein Superduper-Laptop mit wahnsinnig viel Speicherplatz und einer obszön schnellen Grafikkarte. Und dann noch sieben Stapel alter Fernsehserien und... Interessant, wie mit einem da die Phantasie durchgeht. Plündern liegt dem Menschen, vielleicht vor allem dem Manne, im Blut. Frauen neigen, wenn sie denn überhaupt plündern, gerade mal dazu, Männer auszuplündern.

Plündern ist schon lautmalerisch ein sehr gelungenes Wort. Die Buchstabenfolge "...ndern" klingt aktiv, ja aggressiv: "Lasst uns ndern, Männer, NDERN!". In "plü" steckt wiederum Tiefe, etwas Verborgenes, Unheimliches. Legionäre, Grabräuber, Aufständische plündern. Geschäftsführer, Rechtsanwälte, Zahnärzte würden gerne plündern, aber sie bringen es maximal bis zum Übervorteilen oder Einsacken. Plünderer haben Bärte und riechen streng.

In dieser Woche sah man ein Bild aus dem wilden Ägypten, auf dem ziemlich düstere Gestalten, angeblich Polizisten, in einem Saal des Ägyptischen Museums standen. Ein paar Vitrinen waren zersplittert, ein krummes Szepter aus der 18. Dynastie lag herum. Plünderer hatten sich zu schaffen gemacht, ohne viel Schaden anzurichten. Das Plündern speziell im Ägyptischen Museum ist ganz übel und sollte niemals vorkommen. Pfui. Andererseits: Man stelle sich vor, dass man in diesem Museum nur eine Dreiviertelstunde plündern dürfte, selbstverständlich sehr verantwortungsbewusst und ganz alleine. Ein paar kleine Sachen aus Ahhoteps Grab, zwei Skarabäen und von Tut nur die Stuhllehne mit seiner Frau. Man würde auch alles wieder zurückgeben.

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Quelle:
SZ vom 05.02.2011
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