Deutscher Alltag:In Zeiten wie diesen

Statistisch gesehen haben 57 Prozent der SZ-Leser und 83 Prozent der FAZ-Leser das Gefühl, dass früher vieles besser war. Zu Recht wahrscheinlich, denn sogar das harte Ei ist hierzulande in Gefahr.

Kurt Kister

Statistisch gesehen haben 57Prozent der SZ-Leser und 83Prozent der FAZ-Leser das Gefühl, dass früher vieles besser war. In derselben Umfrage, deren Ergebnisse der Autor dieser Zeilen in der Nacht zum Mittwoch geträumt hat, wünschten sich 64 Prozent der Befragten Willy Brandt als Kanzler zurück, und immerhin 17 Prozent wären bereit, die Linkspartei zu wählen, wenn dies verhindern würde, dass Joachim Löw Trainer beim FC Bayern wird. Allerdings gaben drei Viertel dieser 17Prozent an, dass sie noch lieber Tschik Cajkowski als Nachfolger des Holland-Autokraten sähen. Dass Cajkowski seit 12 Jahren tot ist, zeigt deutlich, wie viel besser früher so manches war.

Vogelgrippe - Kein Verzicht auf Ostereier

Das harte Ei ist gebenedeit unter den Speisen. Deswegen ist es Osterei geworden. Trotzdem hat es seine besten Zeiten, auch heirzulande, hinter sich

(Foto: dpa/dpaweb)

Auch in Frankreich trauert man um Verlorenes. Ein Herr namens Claude Lebey, Restaurantkritiker in Paris, beklagt das allmähliche Verschwinden einer Vorspeise, die einst das ihre zur Größe Frankreichs beigetragen hat: Ei mit Mayonnaise. Nun ist es, wie der Gelegenheits-Frankreichreisende weiß, keineswegs so, dass sich nicht noch an etlichen Orten Oeufs mayonnaise bestellen ließen. Aber weil sich viele in diesen Zeiten von vielem, was als "einfach" empfunden wird, abwenden, sind die Mayonnaise-Eier unter die bedrohten Arten zu rechnen.

Dabei ist das harte Ei alleine schon gebenedeit unter den Speisen. Deswegen ist es Osterei geworden. Und in vielen Kneipen des Abendlandes gehört es zu jenen wenigen Grundnahrungsmitteln, die selbst fragwürdigste Wirte am Tresen anbieten: Buletten, Dauerwürste und harte Eier. Auch aus der Historie lässt sich belegen, dass das harte Ei zweifelsohne zu Deutschland gehört - viel mehr noch als die CSU, die es erst seit 1945 gibt, wohingegen Kaiser Ludwig der Bayer bereits nach der Schlacht von Mühldorf 1322 den braven Ritter Schweppermann mit zwei (harten) Eiern belohnt haben soll.

Allerdings ist das harte Ei leider auch hierzulande in Gefahr geraten. In den ersten Nachkriegsjahrzehnten zum Beispiel zählten "Russische Eier" zu den Standardgerichten der westdeutschen Küche: Auf einem Salatbett, gerne Endivie, ruhte ein anständiger Batzen Fleischsalat, von Kriegsteilnehmern auch Moppelkotze genannt. Der Fleischsalat wurde gekrönt von drei oder vier mit Tomatenmark und/oder Mayonnaise garnierten Eierhälften. Russische Eier zählten damals fast soviel wie eine warme Mahlzeit und gehörten neben der Griesnockerlsuppe sowie einem schwäbisch schmeckenden Eintopf ("Kartoffelgmias") zu den die Adenauer- und Erhard-Jahre definierenden Speisen. Heute sind sie ziemlich selten geworden. Kein Wunder, dass zu den besten Zeiten der Russischen Eier auch Tschik Cjaikowski den FC Bayern trainierte.

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