Deutscher Alltag:Einmal Diktatur und zurück

Früher, als Student, fuhr man in die Türkei und kurbelte die Wirtschaft einer nicht sehr moderaten Militärdiktatur an. Heute sitzt man vor Tom Buhrow und seinen "Tagesthemen" und ist irgendwie verstört.

Kurt Kister

Tagesthemen in der ARD. Der ungebräunte Herr Buhrow aus Troisdorf, dem man manchmal gerne eine halbe Ente mit Blaukraut zu essen geben möchte, guckt einen an. Jetzt komme der Kommentar, sagt er. Dann spricht eine strenge Frau aus dem Südwesten, die man nicht zur Lehrerin gehabt haben wollte, wäre sie denn eine Lehrerin und nicht Journalistin.

Ferdinand Porsche - legendärer Käfer-Konstrukteur

Es begann mit einem Urlaub in der Türkei vor langer Zeit, als da noch die Generäle blutig herrschten. Man fuhr in einem Käfer über den Balkan und durch Bulgaristan, wo einen stark riechende, schnurrbärtige Zöllner auf das übelste sekkierten. Reinster Orient.

(Foto: dpa)

Andererseits sind die meisten Journalisten inwending auch irgendwie Lehrer, weil sie fast immer den Leuten etwas beibringen wollen, besonders wenn sie in einer Talkshow sitzen oder gar eine moderieren. Die strenge Frau also schimpft den Westen, dass der immer mit diesen Diktatoren gekungelt und ihnen ein feines Leben ermöglicht habe. Dann schaut sie einen nochmal sehr durchdringend an und der blaukrautbedürftige Herr Buhrow leitet zum nächsten Thema über.

Man sitzt da und ist verstört. Man zählt sich selbst ja doch auch zum Westen. Haben wir nicht gerade die Seeschlacht von Lepanto gewonnen und anschließend den Kommunismus mitbesiegt? Und da soll man wirklich den Mubarak gestützt haben, den tunesischen Gauner vielleicht auch oder gar den verrückten Wüstengrünen?

Ja, hat man, ganz persönlich. Es begann mit einem Urlaub in der Türkei vor langer Zeit, als da noch die Generäle blutig herrschten. Man fuhr in einem Käfer über den Balkan und durch Bulgaristan, wo einen stark riechende, schnurrbärtige Zöllner auf das übelste sekkierten. Reinster Orient. Dann blieb man fünf Wochen in der Türkei, wo es kaum Hotels gab damals, aber viele Zeltplätze. Was man in den Semesterferien zuvor verdient hatte, gab man aus. Man kurbelte so die Wirtschaft einer nicht sehr moderaten Militärdiktatur an.

Später dann im Leben reiste man nach China und Ägypten, nach Pakistan und Kenia. Alles Staaten entweder mit einer korrupten Elite oder gleich voll ausgewachsene Diktaturen. Merkte man aber nicht auf der Nilkreuzfahrt oder in der Masai Mara. Da wo man es merkte, schaute man nicht so genau hin. Die Leute waren freundlich, oder etwa nicht? Und immerhin hatte man doch, anders als die Pauschalurlauber, vorher Kritisches gelesen. Und was um Himmels willen hätte man damals machen sollen, als man in Südtirol, keine Diktatur, in einer Pension übernachtete, in der in einer Ecke ein Bild des Hausvaters als junger Mann in der Uniform der Waffen-SS stand? Gleich wieder ausziehen? Oder doch lieber still bergwandern gehen?

Ach, die strenge Frau und der entenlose Herr Buhrow haben es da leichter. Sie müssen nur in die Kamera gucken und auf den Westen schimpfen.

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