Deutscher Alltag:Der Mann, der in den Norden kam

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Wenn jetzt nicht noch die Nordsee Hamburg frisst, könnte es tatsächlich sein, dass am Sonntag die SPD mal wieder eine Wahl gewinnt. Und zwar so richtig.

Kurt Kister

Wenn nicht im letzten Moment die Nordsee Hamburg auffrisst, könnte es tatsächlich sein, dass am Sonntag die SPD wieder einmal eine Wahl gewinnt. Und zwar so richtig gewinnt, nicht wie in Nordrhein-Westfalen, wo die anderen so viel verloren haben, dass selbst Hannelore Kraft nichts anderes übrigblieb, als eine Art Regierung zu bilden.

Olaf Scholz ist eigentlich ein Mann von eng begrenzter Massenwirksamkeit, trotzdem wird er das Hamburger Rathaus nahezu im Sturm erobern. (Foto: dapd)

Nein, in Hamburg sieht es so aus, als werde Olaf Scholz, eigentlich ein Mann von eng begrenzter Massenwirksamkeit, das Rathaus nahezu im Sturm erobern, soweit einem Hanseaten so viel zielgerichtete, schnelle Bewegung überhaupt möglich ist. Scholzens mutmaßlicher Aufstieg hängt weniger mit seiner Partei zusammen als vielmehr damit, dass sich die CDU unter ihrem Freiherrn von Beust charmant und so konsequent um ihre Identität regiert hat, dass man heute zwar weiß, was die CDU alles nicht mehr ist, aber leider keine Ahnung hat, was sie noch ist.

Dieses Schicksal teilt die Hamburger CDU in gewisser Weise mit der SPD im Bund und in manchen Ländern. Die Hartz-IV-Unterhändlerin Schwesig zum Beispiel, von der man manchmal dachte, sie müsse die Nichte der Frau von der Leyen sein, erweckte den Eindruck, als hätten den ganzen Hartz-IV-Schlamassel nicht etwa die Sozialdemokraten sowie deren grüne Kellner selbst erfunden, sondern vielmehr diese Schweizer mit den Kräuterbonbons. Und hat man in jüngerer Zeit jemals einen Parteivorsitzenden erlebt, der sich so eloquent von der allerjüngsten Vergangenheit seiner eigenen Partei distanziert wie Sigmar Gabriel? Und der, wirft man es ihm denn vor, einem so formvollendet übers Maul fahren kann?

Gewiss, es gibt Regionen in Deutschland, da hat sich die SPD wenig verändert, und man weiß noch, was man an ihr hat. In Rheinland-Pfalz ist Kurt Beck die SPD, da braucht man kein anderes Programm. In Bayern wiederum steht die SPD grundsätzlich dreieinhalb Meter weiter links als ihre potentielle Wählerschaft, was dazu führt, dass sie in jeder Landtagswahl noch schlechter abschneidet als in der vorigen. Das ist nicht einfach, aber dennoch eine Konstante. Immerhin fechten die Sozen an der Isar harte Kämpfe aus, etwa jenen gegen Frau Stoiber, die den immer noch vorhandenen Dienstwagen ihres Gatten bald nicht mehr benutzen darf.

Die SPD hat es schwer, weil sie so richtig eigentlich nur dann reüssiert, wenn die Schwarzen nicht mehr wissen, wer sie sind, und die Wähler das auch nicht mehr wissen wollen. Angela Merkels einigermaßen hintertückische Antwort auf diese Entwicklung lautet so: Egal, wofür wir stehen, Hauptsache, ich regiere. Das ist schon wieder so ein sozialdemokratischer Ansatz.

© SZ vom 19.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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