Kolumne: Deutscher Alltag:Arabenglischdeutsches Palaver

Hin und wieder kann man sich sogar für München interessieren, zum Beispiel wenn es regnet. Das Ägyptische Museum etwa hält da einige Überraschungen parat. Allerdings andere als erwartet.

Kurt Kister

Hin und wieder, zum Beispiel wenn es regnet, kann man sich sogar für München interessieren. Nein, so garstig ist das gar nicht gemeint. Wenn man in einer Stadt lebt, wird die Stadt so sehr zur Routine, dass man sie eigentlich nur noch funktionalistisch wahrnimmt. Also: Auf welchen Straßen gelangt man morgens am besten ins Büro, das im Münchner Osten kurz vor der Kalmückensteppe liegt? Oder: Wo geht man mit Dr. Sowieso zum Essen, ohne dass man dort auch dem Abteilungsleiter mit der breiten Krawatte begegnet?

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Bei Regen nimmt man seine Stadt endlich wieder als Tourist wahr. Besonders erhellend wird das, wenn man beim Besuch von Sehenswürdigkeiten auf andere Touristen trifft.

(Foto: ag.ddp)

Solche Sachen weiß man über seine Stadt. Und dann kennt man noch die besten Buchläden, den Schlosspark und ein paar Kneipen, die es nicht mehr gibt. Manchmal aber, zum Beispiel wenn es regnet, denkt man touristisch. Neulich regnete es und man besuchte das Ägyptische Museum in der Münchner Residenz, eine eher kleine, aber interessante Sammlung. An der Kasse saß ein silberhaariger Herr slawischer Provenienz, der so sprach wie man Fritz Muliar aus der Verfilmung des braven Soldaten Schwejk in Erinnerung hat.

An die Kasse trat ein orientalischer junger Mann, Ägypter oder vielleicht auch Somali. In seiner Begleitung waren zwei starkkörperige, verhüllte Damen, die allerdings keine Gesichtsschleier trugen. Beide waren älter, eine saß im Rollstuhl.

Der mutmaßliche Ägypter sprach Englisch mit starkem Akzent, der mögliche Tscheche (oder Slowake) sprach so gut wie kein Englisch. Der Ägypter wollte wissen, wie man mit dem Rollstuhl das Museum besichtigen könne. Der Kassenmann holte einen weiteren, ebenfalls starkkörperigen Bediensteten. Es hob ein Palaver an, die Dame und ihr Rollstuhl gelangten unter Mühen in die Sammlung.

Es wurde Arabenglischdeutsch gesprochen. Nach kaum fünf Minuten verließen die Besucher aus dem Morgenland das Haus wieder. Sie hatten sich offenbar Bayerisches oder zumindest Deutsches erwartet in der Residenz und nicht Altägyptisches. Die rollende Dame sagte zu Schwejk: "Eees deees oll?" Er zuckte mit den Schultern. Ein seltsames Erlebnis. An einer Museumskasse trifft sich die Welt und alle sind enttäuscht. Die eine sieht nicht, was sie sehen will; der andere kann ihr nicht verständlich machen, was es zu sehen gibt.

Ein Ägypter wird von einem Tschechen auf Nicht-Englisch damit konfrontiert, dass in der Residenz der bayerischen Könige pharaonische Köpfe präsentiert werden. Man ging nachdenklich zum Franziskaner, Brotzeit machen. Dort wurde man von einem blonden Kellner mit unverkennbar brandenburgischer Sprachfärbung bedient, der dem Sohn "Käsespatzen" mit zweimaliger Betonung auf dem "e" empfahl. Dees ees München wenn eeet rrains.

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