Deutsche, Juden, Polen:Wachtrauma

In Berlin entziffern Wissenschaftler die polnische Gegenwart mit den Mitteln der Psychoanalyse: Woher stammt der obsessive Opfergestus? Und warum suchen junge Polen ihre Identität als imaginäre Bewohner von Tokio?

Von Lothar Müller

Es gibt keine ortlose Ideengeschichte. Theorien gehen nicht nur aus Büchern hervor, sondern auch aus Lebenswelten, sie haben ihre Herkunftsgeschichten und nicht selten einen Migrationshintergrund. Die Psychoanalyse ist dafür ein facettenreiches Beispiel. Sie wurde im Wien des Fin de Siècle entwickelt, aber seinem aus Galizien stammenden Vater hat Sigmund Freud in der "Traumdeutung" einen prominenten Platz eingeräumt, die Familie von Freuds Mutter stammte aus Odessa. Schon vor dem Ersten Weltkrieg wurde Freud in die Vereinigten Staaten eingeladen, um dort Vorlesungen zu halten, nach London ist er ins Exil gegangen, und nach dem Zweiten Weltkrieg hat die West-Expansion der Psychoanalyse ihre mitteleuropäischen Ursprünge überlagert. In die Mythen des Alltags ging sie durch die Filme Woody Allens ein.

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