"Deutschboden" im Kino:Mutproben zwischen Nagelstudios

Szene aus "Deutschboden"

Teilnehmender Blick auf eine Männerrunde in der märkischen Provinz: die Punkband 5 Teeth Less in "Deutschboden".

(Foto: dpa)

Moritz von Uslar war auf alles gefasst, als er 2009 für eine Langzeitreportage in die brandenburgische Provinz aufbrach. Nun hat André Schäfer aus seiner "teilnehmenden Beobachtung" einen Sommerfilm gemacht.

Von Martina Knoben

Deutschland, hammerhart. Prollig, hässlich, öde - aber echt! Das war die Erwartung, als der Berliner Autor und Journalist Moritz von Uslar 2009 für eine Langzeitreportage in die brandenburgische Provinz aufbrach. Eine Fernreise nach nebenan war das und eine Mutprobe: Hartz IV, Alkoholismus, Springerstiefel, Tätowierungen, blonde Weiber, die unzähligen Nagelstudios eine Daseinsberechtigung verschaffen . . . von Uslar war auf alles gefasst.

Drei Monate ist der Metropolen-Schreiber in der Kleinstadt im Osten geblieben. Sie hatte ihm Angst gemacht am Anfang, dann hat er Freunde gefunden und einen lesenswerten Abenteuer-Reportage-Roman über seine Begegnungen geschrieben: "Deutschboden. Eine teilnehmende Beobachtung".

"Teilnehmend" ist Moritz von Uslar nun auch bei der Verfilmung seines Buchs, in der Realität und Fiktion immer wieder fruchtbar aneinandergeraten. Dokumentarfilm nennt sich das. Von Uslar spielt sich selbst, spielt einen coolen, leicht versnobten Hauptstädter, der den Reporter gibt und mit männlich breitem Wiegeschritt die unbekannte Stadt abschreitet wie ein Westernheld. Dazu spricht er seine eigenen Texte und trifft auch die Figuren aus seinem Buch wieder: seine Jungs, die Mitglieder der Band "5 Teeth Less", oder Heiko, den Wirt der Gaststätte Schröder. Es sind Menschen, die manche Klischees über den deutschen Osten bestätigen, andere nicht.

Die Kamera zeigt in etwa das, was von Uslar mit Worten beschreibt, und das ist gar nicht redundant, sondern fordert den Zuschauer heraus, ganz genau hinzusehen - oft sind Text und Bild dann doch nicht deckungsgleich. So fügt die Verfilmung dem Buch eine weitere Ebene der Realitätsprüfung hinzu. Und diese Skepsis schadet keineswegs, schließlich war ein Antrieb der Reise in den wilden Osten die Sehnsucht des Autors nach dem wirklich wahren Leben, das ja gern im alternativlos Armen und Hässlichen vermutet wird. Gleichzeitig weiß natürlich auch von Uslar, wie romantisch eine solche Suche ist und wie zweifelhaft schon die Idee von Authentizität.

André Schäfer, der zuvor unter anderem "Lenin kam nur bis Lüdenscheid" (2008), nach dem Buch von Richard David Precht, gemacht hat, illustriert die romantische Sehnsucht des Buches mit malerischen Bildern. So wurde aus "Deutschboden" ein Sommerfilm: mit Musik, die Laune macht, und einem coolen Reporter in roter James-Dean-Jacke; selbst die Tristesse von Plattenbauten und unrenovierten Altbauten sieht im Film noch irgendwie gut aus.

Gleichzeitig sickert ganz viel Welt in die Fiktion ein. Man meint auch die Unsicherheit von Uslars zu spüren, die vielleicht die des ungeübten Akteurs vor der Kamera ist, vielleicht aber auch durch die (erneute) Begegnung mit der fremden Lebenswelt entsteht. Deshalb teilt man zwar mehr und mehr von Uslars Sympathie für den Osten und seine Bewohner - aber vergisst auch nicht, dass es eine Erzählung, eine Fiktion ist, die von Uslar für uns daraus gemacht hat.

Deutschboden, D 2013 - Regie: André Schäfer. Buch: A. Schäfer nach dem gleichnamigen Buch von Moritz von Uslar. Kamera: Andy Lehmann. Schnitt: Fritz Busse. Verleih: W-Film. 97 Minuten. In deutschen Kinos ab dem 27. März 2014.

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