Designkünstler Colani wird 80:Die Form Gottes

Er behauptet, die ultimative Teekanne erfunden zu haben: Luigi Colani, der größte Angeber der Designgeschichte und einer der wichtigsten Gestalter, wird 80 Jahre alt.

Gerhard Matzig

In Asien, soll Colani einmal über Colani gesagt haben, werde Colani als "Gottheit" verehrt. Wer dennoch das Glück hatte, Luigi Colani auch auf der Erde und in Menschengestalt zu begegnen, dieser - in der Tat! - immer noch größten Design-Sensation der Welt, der weiß, dass die Sache mit der Gottheit absolut glaubhaft ist.

Designkünstler Colani wird 80: Immer unter Dampf: Luigi Colani mit dem Modell einer aerodynamischen Lok.

Immer unter Dampf: Luigi Colani mit dem Modell einer aerodynamischen Lok.

(Foto: Foto: ap)

Ganz offenbar mangelt es der Welt an Worten, um die Größe dieses Groß- und Größermeisters der allergrößten und superlativsten Formen zu beschreiben. "Gottheit" gehört insofern zu den gerade noch akzeptablen Begriffen. Gerade noch.

Alles darunter, Designer, Gestalter, Planer und dergleichen, ist im Grunde ein Diminutiv und also eine unfassbare Frechheit, wie sie für "Deppen" typisch ist. Als Deppen begreift Colani manchmal seine Design-Kollegen (alle), manchmal Journalisten (nur ausgewählte), manchmal Länder (am liebsten Deutschland). Aber er ist dennoch eher ein liebender als ein strafender Gott - und so wird er auch die Zuschreibung, wonach er nur einer der größten Designer der Welt ist, am Ende hoffentlich verzeihen.

Das schließt dann auch die mutmaßlichen Deppen jener Jury mit ein, die ihn, Lutz Colani, geboren am 2. August 1928 in Berlin, redesigned jedoch als Luigi Colani von eigener Hand, im Ranking der "zehn bedeutendsten und einflussreichsten Gestalter" kürzlich nur auf Platz 7 setzen wollten.

Die Redaktion von Art hatte eine Jury von Experten gebeten, den Olymp des Designs zu bestimmen. Colani thront dort neben Konstantin Grcic, Dieter Rams, Philippe Starck, Jasper Morrison oder Jonathan Ive.

In der Begründung heißt es: "Gäbe es nicht Philippe Starck, Colani wäre der Designer mit der weltweit größten Klappe." Schon falsch. In dieser Disziplin ist Colani nun wirklich nicht zu übertreffen.

Er ist definitv der größte Lautsprecher der Welt. Starck hört sich im direkten Vergleich an wie ein Rasenmäher, der versucht, einen startenden Jet einzuholen und zu übertönen.

Vordenker der Bionik

"Ich habe", erzählt, nein brüllt Colani zum Beispiel, "nicht eine Teekanne entworfen, sondern die Teekanne schlechthin." Oder: "Europa kann man glatt vergessen, und Deutschland geht die Gosse hinab." Oder: "Ich bin Schöpfer, aber ich verbessere auch die Schöpfung."

Oder sein Internetauftritt, wo sich der "3-D-Philosoph" schon in den ersten paar Zeilen mit Begriffen wie "außergewöhnliche Karriere", "große Visionen", "revolutionäre Konzepte", "epochebestimmende Produkte", "unerschöpflicher Formenreichtum" beschreiben lässt, um schließlich zum "triumphalen", wenn auch ermüdenden "Erfolg" zu kommen.

Wobei der Worldwideweb-Colani davon ausgeht, dass Colani seit den siebziger Jahren der "bekannteste Designer der Welt" ist. Und dazu mit Gewissheit der lauteste, der seither nicht gerade leiser oder weniger nervensägenhaft geworden ist. Aber auch, das darf man ruhig anerkennen, auch nicht gerade weniger neugierig.

Mit Hilfe dieser Eigenschaft, die ihn neben der PR-Affinität und dem Sinn fürs Zitathafte auszeichnet, hat Colani, Sohn eines Tessiner Filmarchitekten und einer Polin, so gut wie alles überformt: Polizeiuniformen, Autos, Lkw, Flugzeuge - bis hin zur "Bio-City", die aussieht, als hätten sich Buckminster Fuller und Roland Emmerich zusammengetan.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, wie Colani die Technik der Natur versteht und was ihn momentan beschäftigt.

Die Form Gottes

Nicht alle Ideen der Colani-Schöpfungsgeschichte lassen sich auch als Verbesserung der Schöpfung beschreiben. Zum Beispiel hat er zuletzt ein 30 Meter langes Showcar präsentiert, ein "Luxus Motor Home für Milliardäre" samt Heliport und futuristischer Fahrerkanzel. "1000 Prozent Luxus" seien garantiert in diesem Wohnmobil.

Darauf hat die Welt der enden wollenden Ressourcen gerade noch gewartet. Vielleicht wäre es besser gewesen, Colani hätte sein prophetisches 1,7-Liter-Auto endlich mal bis zur Serienreife gebracht, das er immerhin schon 1981 vorgestellt hat.

Andererseits ist zu hören, dass Colani derzeit auch an einem aerodynamisch ausgerichteten Windpark im Chinesischen Meer arbeitet. Und hier wird es nun wirklich spannend, weil Colani, der seit den fünfziger Jahren im Automobildesign gearbeitet und Aerodynamik an der Sorbonne studiert hat, sich für die Kräfte und Energien der Natur schon seit langem interessiert.

Ein Nachfolger Gaudís

In der Nachfolge von Antoni Gaudí gibt es eigentlich nur zwei prominente Gestalter, die - lange bevor die Green-Glamour-Generation die Bio-Brezel als Religionsersatz und Distinktionsgewinn entdeckt hat - die Natur als Konstruktionslehrbuch begriffen haben. Der eine, der Architekt und Ingenieur Frei Otto, wurde Wissenschaftler. Der andere, Colani, wurde Angeber und, wie bekannt, der bekannteste Designer der Welt.

Zwar hat sich Colani für Organik und Biomorphologie zunächst nur in seiner Eigenschaft als bekennender Erotomane interessiert: "Bis in die arterhaltende Erotik erregen uns runde Formen."

Zudem war ihm die orthogonal- rechthaberische Rechtwinkelei der Moderne schon immer so verhasst wie sonst nur Friedensreich Dunkelbunt Hundertwasser: "Die gerade Linie hat keine Daseinsberechtigung."

Natur der Zukunft

Aber abseits des formalen Interesses hat sich Colani auch immer für die Technik der Natur begeistert. Seine wahre Bedeutung liegt darin: Colani ist einer der wesentlichen Vordenker und Ausgestalter der Bionik, also der Weiterentwicklung der Technik aus dem schier unendlichen Fundus der Biologie.

Außerhalb der Fachwelt wird das oft unterschätzt, weil Colani dort nur als Schöpfer rundseifiger und blähbauchiger Duschköpfe oder Bügelbretter verehrt - oder als Erfinder des mittlerweile über die ganze Welt blubbernden Blob-Designs beargwöhnt wird. Insofern steht die Colani-Lautstärke der Colani-Wertschätzung sogar im Wege.

Das gilt für einige seiner Spektakel-Formfindungen. Egal, ob er ein Amphibienfahrzeug vorstellt, ein rotierendes Fertighaus oder, 1968, eine Küche in Satelliten-Form. Vor allem in jener Zeit wurde "sein Größenwahn auf atemberaubende Weise produktiv" (Art). Richtig.

Aber interessanter wäre es, diese Produktivität vor dem Hintergrund eines nicht nur formal, sondern existenziell bedeutsam gewordenen Natur-Begriffes in die Zukunft zu übersetzen.

Colani hat also noch eine ganze Menge vor. Was Größeres lässt sich zu Gottheits 80. Geburtstag nicht sagen.

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