Design:Warum nur wird Violett die Farbe des Jahres 2018?

Design: Ultratraurig: Violett ist die Lieblingsfarbe von "nur einem Prozent der Deutschen".

Ultratraurig: Violett ist die Lieblingsfarbe von "nur einem Prozent der Deutschen".

(Foto: Raquel Raclette/Unsplash)

Sie entsteht, wenn man das Blau seiner Souveränität und das Rot seiner Leidenschaft beraubt. Aber Designexperten sehen mehr in ihr.

Von Gerhard Matzig

Erst die gute Nachricht. Gut ist, dass sich die Ära der "Pantone-Farbe" 2017 dem Ende zuneigt. Es war ein fades Grasgrün, für das sich nicht einmal die den Feldheuschrecken verwandten Ödlandschrecken begeisterten. Noch abstoßender war die Vorvor-Farbe. Die hieß "Marsala", sah aber kaum wie etwas Trinkbares, sondern wie etwas Schon-mal-Gegessenes aus. Schlecht aber, jedenfalls für Deutschland, ist die Nachricht, dass die Firma Pantone die Farbe des Jahres 2018 vorgestellt hat. Violett ist nämlich einer Studie zufolge die Lieblingsfarbe von "nur einem Prozent der Deutschen". Was die anderen 99 Prozent angeht: 2018 wird wohl nicht euer Jahr.

Denn Pantone ist nach eigenen Angaben der "Marktführer" im Segment der Farbkommunikation für die Grafik- und Designbranche, aber auch für die Textil- und Kunststoffindustrie. Die Wahl der Pantone-Experten könnte also dazu führen, dass die Welt sich demnächst in genau jene Farbe hüllt, die ihr normalerweise fremd ist. Wer kein Kirchenfürst, ein dramatischer Sonnenuntergang oder ein Veilchen ist, ahnt, dass Lila, Violett, Pink, Magenta oder Purpur (für Dogmatiker: schon klar, da gibt es enorme Unterschiede!) nur selten in freier Wildbahn vorkommen.

Etwas unklar, nebulös und leider auch ziemlich unbefriedigend

Die Violett-Farbgruppe, die entsteht, wenn man dem Blau seine kühle Souveränität und dem Rot sein leidenschaftliches Temperament nimmt, eine klassische No-win-Konstellation, ist im physikalischen Lichtspektrum nicht enthalten. Die Farbe kommt erst durch Mischung zustande. Auch deshalb gilt Violett als "Farbe der Transzendenz". Nebenher: Von Lila spricht man erst, wenn das Blau dominiert. Rot und Blau, die Eltern von violetten Farbtönen, sind in ihrer Wirkung so verschieden, dass ihr Balg - kein Kind der Liebe - als etwas unklar, nebulös und leider auch ziemlich unbefriedigend gilt. Bei Google beantwortet der schlaue Algorithmus, der für die automatische Vervollständigung von Begriffen zuständig ist, die Anfrage "Violett / Farbe / der" umstandslos mit "Unbefriedigten" respektive "sexuell Frustrierten". Weiter tauchen im Violett-Kontext auf: Trauer, Buße, Kirche und Tod.

Liebe Pantone-Experten, was genau habt ihr euch bei der Farbe des Jahres 2018 gedacht? Sollen wir mehr Sex haben oder mehr Buße tun - oder läuft das, je nachdem, mit wem, aufs Gleiche raus? Bei Pantone heißt es, Violett stehe, zumal in der Power-Version "ultra", für "visionäres Denken, für den Kosmos und das Geheimnisvolle an dem, was uns die Zukunft bringen wird". Aha. Vision, Kosmos, Geheimnis, Zukunft - kein Wunder, dass wir das nicht mögen. Es ist kein Geheimnis, dass es im Kosmos vor allem ein Land gibt, wo Visionen keine Zukunft haben: Li La Deutschland. Vielleicht also tut uns ein bisschen Transzendenz gut.

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