Süddeutsche Zeitung

Design unterm Weihnachtsbaum:Barbies Rache

Darf es ein Prinzessin-Lillifee-Gewehr für Dreijährige sein? Oder doch ganz traditionell eine Puppe für Mädchen und die Werkbank für die Jungs? Desinger sind davon überzeugt, kindliches Rollenverhalten mit ihren Entwürfen verändern zu können.

Tina Klopp

Kurz vor Weihnachten stellt sich die Frage: Was war zuerst da, der Macho oder die Spielzeugküche für kleine Mädchen? Dominique Esser ist überzeugt, dass Produkte das Verhalten von Menschen verändern. Als Weihnachtsgeschenk für kleine Mädchen empfiehlt die junge Produktdesignerin daher ihr "Prinzessin Lillifee Softair Gewehr": Die Waffe für kleine Mädchen ab drei Jahren. "Es hilft kleinen Mädchen, ihre Wut auszuleben", sagt Esser.

Ihr ist klar, dass sie damit nicht nur Pazifisten provoziert. Doch mit ihrer Kalaschnikow für Mädchen möchte Esser das gewohnte Verhalten von Menschen verändern. Produkte, sagt sie, funktionieren wie Massenmedien: "Da der Mensch täglich mit Gegenständen in Berührung kommt, wirken ihre Botschaften nachhaltig." Und die Sprache der meisten Produkte ist eindeutig.

Küchenutensilien etwa sind auf weibliche Käuferinnen zugeschnitten, Werkzeugkästen auf Männer. So verkaufen sie sich besser. Kaufhäuser sind nicht unbedingt die erste Adresse für gesellschaftliche Umbrüche. "Stereotype Gestaltungspraxis sichert den Fortbestand geschlechtlicher Hierarchien und Bewertungsmaßstäbe", schreiben Sandra Buchmüller und Gesche Joost in der Designzeitschrift Neuwerk. Frauen seien demnach meist "untergeordnet". Männlich Konnotiertes hingegen werde "höher bewertet (. . .) als die weibliche Entsprechung".

Immerhin gibt es inzwischen Küchen und Zubehör speziell für Männer. Die "Werkbank" von Bulthaup etwa hilft am Herd die Männlichkeit zu wahren. Und die Küche im Porsche-Design von Poggenpohl zeigt ihre Überlegenheit bereits am Einstiegspreis von 50 000 Euro. Studien zufolge lieben Männer die Fleischzubereitung, mit allen Tricks, Messern und Tischgrills, derer sie habhaft werden können. Bei solchen Weihnachtsgeschenken sollten Frauen jedoch mitbedenken: Die Abspülarbeit, das klagen immerhin 56 Prozent der Frauen in Umfragen, bleibt am Ende doch an ihnen hängen.

Doch lassen sich Rollenmuster überhaupt überwinden? "Man muss in der Kindheit ansetzen", sagt Esser. Wenn Mädchen mit Puppen spielen, lernen sie Sensibilität und Fürsorge, also Eigenschaften, die als typisch weiblich gelten. Jungs trainieren hingegen schon früh, ihre Wut auszuleben. "Aggressionen sind männliches Spezialgebiet."

Wenig Sinn hat es jedoch, den Jungs zu Weihnachten einfach Barbies zu schenken. "Erziehungsversuche kommen beim Verbraucher nicht gut an", sagt Uta Brandes, Professorin für Design und Gender aus Köln. Wer mag schon das Piepen im Auto, das zum Anschnallen gemahnt? Oder will von seiner Bratpfanne erinnert werden, nicht schon wieder zu viel zu essen? Die Professorin findet den weltverbessernden Ansatz von Designern "mitunter ein wenig autoritär".

Die junge Designerin Esser glaubt hingegen, dass Mädchen durchaus ein Bedürfnis hätten, Wut auszuleben - es fehlte bislang nur das mädchengerechte Utensil dafür. So verstanden wäre das Lillifee-Gewehr eine optimale Vorbereitung auf ein Erwachsenenleben im Kapitalismus. Umgekehrt haben auch Jungs das heimliche Bedürfnis, Empathie zu trainieren: Für sie hat Esser die Schmink- und Frisierpuppe im Stile der Action-Figur "Thor" entworfen. Dieser Kinoheld und nordische Donnergott sieht nicht nur sehr männlich aus. "Er hat auch schöne lange blonde Haare, die sich zum Kämmen im besonderen Maße eignen."

Esser kämpft gegen mächtige Gegner, da reicht ein Blick in gängige Spielzeugkataloge. "Ich kann schon putzen und staubsaugen", verkünden da die kleinen Mädchen. Abenteuer und Technik sind den Jungs vorbehalten. Beim Versandhändler Kidoh zum Beispiel gibt es ein siebenteiliges Putzset "für die kleine Hausfrau" zu kaufen. "Das ist schlimmer als in meiner Kindheit", sagt die 62-jährige Professorin Brandes. Früh übt sich, wer später eine brave Kundin werden soll. Weil Produktpräferenzen in jungen Jahren geprägt werden, geben Firmen viel Geld aus für Kinder-Werbung. Zwischen 20 000 und 40 000 Werbespots sieht ein deutsches Kind pro Jahr.

Die US-Organisation Rtmark setzt daher auf radikalere Methoden. Als der Spielzeughersteller Matell in den USA eine sprechende Barbie herausbrachte, die klagte "Mathe ist schwierig", finanzierte Rtmark Mitarbeiter, die Produkte subversiv und gegen den Willen der Hersteller veränderten. Eine Gruppe namens "Barbie Liberation Front" wechselte die Sprachchips in Barbie-Figuren gegen den Chip in einer Soldatenfigur und legte es zurück ins Verkaufsregal. Der GI-Joe im Kampfanzug bettelte anschließend: "Lass uns shoppen gehen", und Barbie verkündete "Rache ist mein". Offiziell zu kaufen gibt es diese Produkte leider nicht. Aber Selbermachen liegt sowieso im Trend.

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SZ vom 20.12.2011/mmai
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