Nachruf auf den Designer Richard Schultz:Segeln auf Grün

Nachruf auf den Designer Richard Schultz: Der 1926 geborene Möbeldesigner Richard Schultz.

Der 1926 geborene Möbeldesigner Richard Schultz.

(Foto: Knoll International)

Bei ihm sahen Gärten wie Gärten aus, nicht wie Baumärkte: Zum Tod des amerikanischen Designers Richard Schultz.

Von Gerhard Matzig

Langsam wird es kälter. Das benettonbunt eingefärbte Herbstlaub im Garten fällt. Man steht am Fenster und wünscht sich, Markus Söder hätte früher angefangen, die Bäume zu umarmen. Dann gäbe es mehr Laub. Je mehr Laub die Welt gnädig zudeckt, desto mehr Frieden gibt es. Bis die Laubbläser kommen. Laub ist wichtig. Gerade jetzt, nach zwei langen Sommern einer im Home-Office-Modus befeuerten Optimierungswut, die das Gartencenter zum Profiteur der Pandemie gemacht hat. In ästhetischer Hinsicht hat sich mancher Garten aufgrund des grassierenden Outdoormöbel-Wettrüstens in eine wetterfeste Sondermülldeponie verwandelt.

Den Gartenramsch an Möbeln, die immer lautstärker so tun, als wären sie eine Lounge, konnte der Designer Richard Schultz leider auch nicht verhindern. Übrigens muss man das bitte so aussprechen: Louuuuuunge. Man sieht ein Blatt fallen und widmet es im Geiste dem großen Gestalter, der dieser Tage in Princeton, New Jersey, im Alter von 95 Jahren gestorben ist.

Deutsche Gärten leiden am Horror vacui - und wurden deshalb gestalterisch zum Horror

Wieder trauert man um einen, der die Formel für Schönes kannte. Weil er sie miterfunden hat. Der die Welt nicht zu einer Louuuuuunge, sondern zu einem stilvolleren Ort machen wollte. Wobei er den Garten nicht als Wurmfortsatz des übermöblierten Wohnzimmers missverstanden hat, sondern als Bühne, auf der sich die organische Natur und die technisch vollendete Kultur seiner Formfindungen auf Augenhöhe begegnen konnten.

Was die Architektur der Eleganz im Garten angeht, kapituliert man ohnehin schon seit Jahren vor den SUV-haften Grillmonstern. Oder vor den Riesentrampolinen, die Sportmediziner zuverlässig mit neuen Fällen versorgen. Oder vor den Pools, die wie XXL-Badewannen, aber nicht wie Pools aussehen. Obwohl die Gärten immer kleiner und waschlappenartiger werden, nehmen sie immer mehr und immer billigere Produkte aus der Grabbelkiste des Baumarkts auf. Deutsche Gärten leiden am Horror vacui - und wurden eben deshalb gestalterisch zum Horror. Könnte ein Garten nicht auch einfach ein Garten und keine Möbelmesse sein?

Nachruf auf den Designer Richard Schultz: Klassiker der Nachkriegsmoderne: Schultz' Gartenliege.

Klassiker der Nachkriegsmoderne: Schultz' Gartenliege.

(Foto: Knoll international)

Die Möbel, die der 1926 geborene Schultz nach einem Studium an der Iowa State University und am Illinois Institute of Technology in Chicago unter anderem auch mit dem italienischen Bildhauer und Möbelgestalter Harry Bertoia zusammen entwarf, sind frühe Höhepunkte der Nachkriegsmoderne. Die 1966 entwickelte Gartenliege mit den charakteristischen Rädern (entworfen für Knoll) wurde zur Gartenliege schlechthin: praktisch, robust, mobil und extrem filigran. Man sieht den Möbeln nicht an, dass sie ursprünglich starken Witterungen am Meer standhalten sollten. Man sieht nur das Meer darin. Das Ferienhafte. Eine unbeschwerte Leichtigkeit.

Das gilt auch für die von Schultz für Bertoias Drahtgitterstühle entwickelte "Petal Collection" mit Tischplatten, die so schwebend erscheinen wie Blütenblätter. Die "1966 Leisure Collection" wurde technologisch maßgeblich, aber auch stilprägend für die moderne Outdoor-Möbelgestaltung. Doch war bei Schultz "wetterfest" nie gleichbedeutend mit dem Verzicht auf formale Ambition. Seine Möbel sollten sich skulptural und doch dienend in die Gartenlandschaft fügen. Bequem sollen sie sein, robust, souverän - und zugleich dezent. Viel zu selten begegnet man in den Gärten solchen Möbeln, die dann so entspannt und sehnsuchtsvoll auf dem Grün ruhen wie weiße Segelboote.

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