Hansjörg Küster räumt mit einem Riesenmissverständnis auf. Dass es sich beim Wald um die reinste, unberührteste Form von Natur handelt. So mag er oft wirken, von der Autobahn aus ebenso wie aus der näheren Perspektive von Pilzsammlern. Doch die Geschichte von der "konstanten Natur" des Waldes ist eine Schimäre. "Das sind Ideen, keine Tatsachen", sagt Küster, Professor für Pflanzenökologie in Hannover und Präsident des Niedersächsischen Heimatbundes. Bei Wäldern handelt es sich um gewachsene Landeskultur, in die sich die Natur zu fügen hat. Naturwissenschaftlicher Sachverstand paart sich bei diesem Autor mit kulturhistorischer Neugier, somit ist er ein Idealautor für die Wissensreihe von C. H. Beck. Er seziert den Baum, blickt in die Rhizodermiszellen seiner Wurzeln und wandert in die Parenchymbereiche der Markstrahlen. Mit dem Wald erzählt Küster aber auch mehrere Jahrtausende Menschheitsgeschichte. Und fällt ihm beim Erläutern der Waldnutzung ein Volkslied ein, trägt er's vor: "Schäfer sag, wo tust du weiden. Im Wald und auf der Heiden." Die meisten Orchesterinstrumente sind aus Holz, der Wald gibt Kultur zurück.
Der Wald:Im Wald, da ist Kulturgeschichte
Von Rudolf Neumaier
© SZ vom 04.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.