Der Straßenchor:Singen auf Platte

Sie leben auf dem Asphalt, kennen Drogen und Prostitution und wissen, wie man sich mit Flaschensammeln und Schnorren über Wasser hält. Halt finden sie neuerdings beim Singen im Straßenchor.

Dorothea Grass

1 / 14
(Foto: N/A)

Sie leben auf dem Asphalt, kennen Drogen und Prostitution und wissen, wie man sich mit Flaschensammeln und Schnorren über Wasser hält. Ihren Halt finden sie neuerdings beim Singen im "Straßenchor".Christian ist 53 Jahre alt und als Pfarrer in einer Berliner Psychiatrie tätig, die als "Bonnies Ranch" durch das Buch "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" bekannt wurde. Er liebt die Musik und singt in seiner Freizeit im Charlottenburger Chor. Stefan Schmidt, der Chorleiter, erzählte ihm von seiner Idee, einen Chor mit Menschen von der Straße zu gründen - den "Straßenchor". Christian ist sofort neugierig, "denn das Singen, das öffnet schon die Seele, das erlebe ich selbst auch immer wieder - an mir selbst und auch an den Menschen, denen ich begegne".Foto: Peter Eichelmann

2 / 14
(Foto: N/A)

Einer davon ist Floyd, 23 Jahre alt, Hartz IV-Empfänger mit einer guten Stimme. Als er vom Straßenchor erfährt, zögert er nicht lange, denn singen ist für ihn "dasselbe wie schlafen und atmen - einfach mal grundessentiell!".Foto: Peter Eichelmann

3 / 14
(Foto: N/A)

Ernst mag eigentlich Heavy Metal und hat zum letzten Mal in der Schule gesungen. Der 56-Jährige, der früher mal Maschinenschlosser gelernt, zuletzt aber als Maler und Tätowierer gearbeitet hat, geriet durch Drogen auf die schiefe Bahn. 18 Jahre seines Lebens hat Ernst deswegen im Knast verbracht. Der Straßenchor bedeutet für Ernst vor allem eine neue Aufgabe.Foto: Peter Eichelmann

4 / 14
(Foto: N/A)

Vor nicht allzu langer Zeit kam Ernst von Stuttgart nach Berlin. Kurz zuvor war ihm sein Wohnmobil mit seinen gesamten Habseligkeiten gestohlen worden. Das Team vom Straßenchor traf ihn gemeinsam mit seiner Pitbull-Hündin Ella vor einer Notunterkunft. Ohne seine Hündin ist der ehemalige Drogendealer nie unterwegs.Foto: Peter Eichelmann

5 / 14
(Foto: N/A)

Kai kam zum Straßenchor, weil er seine Stimme "gar nicht mal so schlecht" findet und grundsätzlich für Neues offen ist. Er ist 27 Jahre alt, lebt von Hartz IV, schläft in Notunterkünften und isst in Suppenküchen. Erst vor ein paar Monaten ist er aus dem Gefängnis entlassen worden und tut sich schwer, wieder Fuß zu fassen.Foto: Peter Eichelmann

6 / 14
(Foto: N/A)

Da ist die 21-jährige Wiebke schon einen Schritt weiter. Durch die Berliner "Treberhilfe", die Obdachlosen und Menschen in Krisensituationen zur Seite steht, hat die Hartz-IV-Empfängerin eine eigene Wohnung gefunden und muss nicht mehr auf der Straße leben. Die ausgebildete Köchin hängt mit ihrer Clique meistens am Alexanderplatz herum. Chorleiter Stefan Schmidt trifft sie dort mit ihrer Freundin Cookie an. Beide sitzen auf den Treppenstufen und singen.Foto: Peter Eichelmann

7 / 14
(Foto: N/A)

Cookie ist bei den Anfängen des Straßenchors erst 14 Jahre alt und verdient ihr Geld mit Schnorren. Vor zwei, drei Jahren ist sie von zu Hause abgehauen und lebt seitdem "auf Platte" am Alexanderplatz oder gelegentlich bei ihrer Freundin Wiebke. Nach Hause, nach Konstanz, möchte Cookie nicht mehr. Ihre Ratte Kaila und ihre Gitarre sind Cookies treue Begleiter.Foto: Peter Eichelmann

8 / 14
(Foto: N/A)

Das Gitarrespielen hat sich Cookie selbst beigebracht. In der Berliner Bahn singt sie mitunter selbstkomponierte Stücke. Cookie sagt, Musik und Singen sei ihr Leben. Deshalb möchte sie unbedingt beim Straßenchor mitmachen, ...Foto: Peter Eichelmann

9 / 14
(Foto: N/A)

... doch vorher gibt es ein kleines Problem. Weil Cookie noch minderjährig ist, braucht Stefan Schmidt, der Chorleiter des Straßenchors, das Einverständnis ihrer Eltern, um sie bei dem Projekt mitmachen lassen zu können. Die 14-Jährige ringt eine ganze Weile mit sich, bis sie Chorleiter Stefan bittet, für sie bei ihren Eltern anzurufen und das Einverständnis einzuholen. Die Eltern geben schließlich die Erlaubnis und Cookie darf mitmachen. Das Küken des Chors wird dank ihrer bemerkenswerten Stimme schnell zum kleinen Star der Singrunde ...Foto: Peter Eichelmann

10 / 14
(Foto: N/A)

... und auch die mausert sich langsam vom chaotischen Haufen zum Chor mit Auftrittserfahrung. Zum 20. Jahrestag des Mauerfalls ist es schließlich so weit: der erste öffentliche Auftritt! Die Stimmung ist vor dem bedeutenden Moment zum Bersten gespannt. Die Mitglieder des Straßenchors erleben zum ersten Mal, wie der Weg für sie freigemacht wird. Sie sind nun Teil eines großen Ganzen und genießen die Aufmerksamkeit, die ihnen entgegengebracht wird. Selbst die Kälte und der strömende Regen können ihnen nicht die Freude am Singen verderben, ...Foto: Peter Eichelmann

11 / 14
(Foto: N/A)

... was an sich schon eine Leistung ist. In Berlin herrschen nur wenige Grad über null. Noch vor kurzem drohte sein Projekt an Reibereien innerhalb des Chors auseinanderzubrechen. Chorleiter Stefan (links) ist die Erleichterung über den geglückten Auftritt anzusehen. Voller Stolz legt er seinen Arm um Ernst - den mit der Bassstimme.Foto: Peter Eichelmann

12 / 14
(Foto: N/A)

Dass es der Chor so weit geschafft hat, ist unter anderem auch der Verdienst von Asgard Niemeier und ihren Kollegen von der Berliner Treberhilfe. Die Berufspädagogin begleitet in ihrer täglichen Arbeit Menschen in Krisensituationen bei Behördengängen, zu Ärzten, und so weiter. Sie hat Erfahrung im Umgang mit Menschen von der Straße und legte daher schon zu Beginn des Projekts Verhaltensregeln für den Straßenchor fest.Foto: Peter Eichelmann

13 / 14
(Foto: N/A)

Dank Asgard von der Treberhilfe kann Ernst gemeinsam mit Hündin Ella noch während der Dreharbeiten zu der ZDF-neo-Doku "Der Straßenchor" eine eigene, kleine Wohnung beziehen.Foto: Peter Eichelmann

14 / 14
(Foto: N/A)

Peter Eichelmann, Jahrgang 1978, begleitete über mehrere Wochen mit seinem Fotoapparat den Straßenchor. Das Ergebnis seiner mit "Glück, Geduld und Muße" entstandenen Arbeit ist der Bildband "Der Straßenchor", erschienen im vive!verlag.Foto: Peter Eichelmann

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: