Was große Schauspieler von ganz großen Schauspielern unterscheidet, ist ganz einfach: Die einen geben sich schon mit dem Hamlet zufrieden - und die anderen wagen sich auch an den Hotzenplotz.
Gert Fröbe hat es einst vorgemacht. Er war der Ur-Hotzenplotz im Kino, und auch wenn sich sein Bond-Bösewicht filmhistorisch im Vordergrund hält, war "Goldfinger" 1964 nur eine räuberische Fingerübung für seinen Hotzenplotz von 1974. So ein Bond-Schurke ist ja letztlich nichts anderes als eine Variation der klassischen Räuberfigur aus dem Kasperltheater.
Es folgten die Hotzenplötze Peter Kern und Armin Rohde. Höchstes Niveau natürlich auch sie. Aber an ihnen vorbei und mindestens auf den Platz neben Gert Fröbe zieht nun Nicholas Ofczarek mit seiner Interpretation 2022, damit man diesem vermaledeiten Jahr wenigstens noch irgendetwas Gutes abgewinnen kann.
Olli Dittrich scheint sein Leben lang darauf gewartet zu haben, den Wachtmeister Dimpfelmoser zu spielen
Natürlich stiehlt auch er die Kaffeemühle der Großmutter, und es kommt zu Verwicklungen mit dem Staat (Wachtmeister Dimpfelmoser) und der Metaphysik (Zauberer Petrosilius Zwackelmann). Und Kasperl und Seppel spielen auch ihre gewohnte Rolle in der Wiederherstellung der alten Ordnung. Bei der Handlung wird beim Hotzenplotz wie beim Hamlet ja selten variiert. Aber es kommt bei so einer Neufassung ja auch weniger auf das Was an als auf das Wie.
Ofczarek spielt die Rolle mit einem Gaunercharme, wie ihn Gott nur gebürtigen Wienern schenkt. Den Dialekt lässt er zwar weg - zum Glück, das geht auch nicht, man denke, oh Graus, an das Schwäbisch des ersten TV-Hotzenplotzes der Augsburger Puppenkiste - aber der Schmäh kommt trotzdem durch. Dafür klingt Ofczarek in seinen besten Hotzenplotz-Momenten ein bisschen wie Klaus Lemke, Gott hab' ihn selig, in seinen besten Monologmomenten.
Der Schweizer Regisseur Michael Krummenacher und sein deutscher Drehbuchautor Matthias Pacht haben an der Vorlage ein paar sanfte Modernisierungsmaßnahmen vorgenommen. Zum Beispiel bauen Kasperl und Seppel zu Beginn an einer Rakete, die bei Otfried Preußler natürlich nicht vorkam. Außerdem verweben sie in die Geschichte des ersten Hotzenplotz-Bandes, auf dem der Film hauptsächlich beruht, einige Elemente aus den beiden Folgebüchern ein. Zum Beispiel, dass der Dackel Wasti von der Witwe Schlotterbeck in ein Krokodil verwandelt wird, was, wie jeder Fan weiß, erst im zweiten Teil passiert. Diese Anpassungen und Verdichtungen machen sie alle sehr dezent und im Geiste der Vorlage.
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Außerdem haben die Filmemacher das Glück, sich auch jenseits von Nicholas Ofczarek auf exzellente Schauspieler verlassen zu können. Das beginnt bei den beiden Kinderdarstellern von Kasperl und Seppel, Hans Marquardt und Benedikt Jenke, die das wirklich wunderbar machen. Und geht weiter mit den Erwachsenen, allen voran sei noch Olli Dittrich genannt, bei dem man das Gefühl hat, er habe sein Leben lang darauf gewartet, endlich den Wachtmeister Dimpfelmoser spielen zu dürfen. It's a match!
Es ist außerdem ein Glück, dass der Räuber Hotzenplotz nie Zigaretten geraucht hat, die hätte man ihm für eine Neuverfilmung vermutlich streichen müssen, sondern dass er dem Schnupftabak frönt. Der ist dringeblieben, vermutlich auch, weil sich die Nachahmungsgefahr unter jungen Zuschauern in Grenzen halten dürfte. Hotzenplotz schnupft also kräftig, lässt sich sogar auf einen teuflischen Deal allein wegen des Schnupftabaks ein, um an eine besonders köstliche Marke zu kommen. Und zum Schluss lernen wir noch, dass genau dieser Schnupftabak unser Problem mit den fossilen Brennstoffen ein für alle Mal lösen könnte.
Der Räuber Hotzenplotz , Deutschland/Schweiz 2022 - Regie: Michael Krummenacher. Buch: Matthias Pacht, nach der Vorlage von Otfried Preußler. Mit: Nicholas Ofczarek, Olli Dittrich, Christiane Paul, Luna Wedler , Hans Marquardt, Benedikt Jenke. Studiocanal, 106 Minuten. Kinostart: 8.12.22.